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Kaltgestellt - Wie die Kälte in die Küche kam

Eine virtuelle Ausstellung über die Geschichte der künstlichen Kälte, die Woche für Woche um weitere Inhalte und zahlreiche Bilder erweitert wird.

Einführung

Die Wissenschaftliche Stadtbibliothek präsentiert vom 13. Mai bis zum 11. September 2020 die virtuelle Ausstellung „Kaltgestellt – Wie die Kälte in die Küche kam“. Kuratiert wurde die ungewöhnliche Schau von Ullrich Hellmann, ehemals Professor der Kunsthochschule Mainz und Eigentümer der wahrscheinlich größten Sammlung von Miniaturkühlschränken weltweit.

Eigentlich sollte die Ausstellung am 13. Mai in der Stadtbibliothek offiziell eröffnet werden. Bedingt durch die derzeitige Schließung aufgrund der Corona-Pandemie und die Ungewissheit, wann und in welchem Umfang das Haus wieder öffnet, haben sich Kurator Hellmann und das Team der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek dazu entschieden, nicht die Vitrinen in der Galerie der Bibliothek zu bestücken, sondern die Inhalte und zahlreichen Bilder auf der Homepage zu präsentieren.

Die Ausstellung präsentiert Werbeanzeigen und Firmenprospekte, Schriften zur Kältetechnik und Hauswirtschaft sowie Romanliteratur, Märchen und Bücher über Polarexpeditionen. Sie enthält außerdem eine Sammlung kleiner Kühlschränke für die Puppenküche, ergänzt durch einige Werbeobjekte. Die Bilder, Bücher und Objekte machen die Bedeutung des Kühlens für den Haushalt sichtbar und zeigen den Einfluss der Kälte auf sämtliche Lebensbereiche. Ebenso können die virtuellen Besucher nachvollziehen, inwieweit sich gesellschaftliche Veränderungen ergeben haben oder soziale Klischees fortbestehen.

Die Schau macht deutlich, dass Kälte als physikalisch-technisches Phänomen betrachtet werden kann, dass sie einen volkswirtschaftlichen Nutzen hat, dass sie vor allem aber auch soziale und kulturelle Dimensionen berührt.

Jede Woche wird die virtuelle Ausstellung um neue Inhalte erweitert. Neben 17 Themenblöcken zur Geschichte der Kältetechnik und des Kühlschranks, gibt es Bücher- und Literaturtipps, vieles davon kann in der Bibliothek ausgeliehen werden. In einem der Ausstellungsteile widmet sich Ullrich Hellmann der Geschichte der Kältetechnik in Mainz und Umgebung, einem Thema, das in diesem Umfang noch nie zuvor bearbeitet wurde.

Ein gedruckter Begleitkatalog zur Ausstellung erscheint im August und kann entweder in der Ausleihe der Stadtbibliothek gekauft oder über die Homepage nach Hause bestellt werden.

Konzeption, Texte und Bilder: Ullrich Hellmann

Präsentation und technische Umsetzung: Elisabeth Berninger-Rentz


Begleitkatalog zur virtuellen Ausstellung

Zur virtuelle Ausstellung „Kaltgestellt“ ist ein umfangreicher Begleitkatalog, herausgegeben von Ullrich Hellmann, erschienen. Das Katalogbuch ist keine Dokumentation der virtuellen Ausstellung, sondern bietet zu dieser eine Ergänzung und Erweiterung.

Der Textteil enthält Beiträge von drei Autoren. Im ersten Beitrag gibt Ullrich Hellmann einen Überblick zu Publikationen, die sich auf vielfältige Art und Weise mit Kälte befassen. Die Beispiele reichen von historischen Werken bis zu Romanliteratur der Gegenwart, von technischen Schriften bis zu Graphic Novels. Diesen Überblick hat der Autor in eine Geschichte der Kälteanwendung eingebettet.

Im nachfolgenden Beitrag widmet sich Joachim Bürgel der Kühlschrankfabrik von AEG in Kassel-Bettenhausen. Nach einer kurzen Skizzierung der Entwicklung von Kühlgeräten bei AEG beschreibt der Autor die Entstehung des Werkes nach 1949, erläutert technische Herausforderungen der Produktion und berichtet am Ende seiner Darstellung von der Werksübernahme durch den Konkurrenten Electrolux. Bürgel informiert in seinem Beitrag über Vorgänge, die er in wesentlichen Phasen in leitender Position miterlebt hat.

Im dritten Beitrag untersucht Frithjof Schwartz das Kühlschrankdesign. Er betrachtet zunächst die Elektrifizierung des Haushalts und befragt die Bedeutung des Raums, den Kühlgeräte selbst anbieten, vor allem aber einnehmen. Dann analysiert er den Wandel der Form, die anfangs von Ingenieuren, schon bald aber von Designern entworfen wird. Der Kühlschrank ist jetzt ein „Star der Küche“ und erhält Attribute des Automobildesigns. Es entstehen optisch attraktive wie auch innovative Geräte. Mit Anmerkungen zu deren Einpassung in die Küche beschließt der Autor seinen Text.

Im Bildteil werden mehr als achtzig Abbildungen von Spielzeugkühlschränken und Werbeanzeigen präsentiert. An den kleinen Objekten lässt sich der Wandel des Gerätedesigns nachvollziehen. Die Werbung dokumentiert, wie ein Gerät, das zunächst nur für den wohlhabenden Haushalt erschwinglich ist, bald Einzug in jede Küche hält und zum unentbehrlichen Objekt des Alltags wird.

Der Katalog kann zu den Öffnungszeiten der Stadtbibliothek in der Ausleihe erworben oder jederzeit online in unserem Bibliotheksshop bestellt werden.


Wie die Kälte in die Küche kommt: Eine Übersicht über einhundert Jahre

Themen der Ausstellung

Wie die Kälte in die Küche kommt: 1. Eis(schrank)zeiten

Die Zeitreise beginnt mit einer Anzeige von 1862. Diese und auch die Werbung der folgenden Jahre vermittelt vor allem Produktinformationen. Die Anzeigenwerbung der Jahrzehnte zwischen 1900 und 1970 zeigt neben dem Wandel der Bild- und Textgrafik sowie den Veränderungen in Technik und Gerätedesign vor allem einen Wandel der Bildmotive. Wird anfangs noch mit arktischen Szenerien geworben, konzentrieren sich die Motive in den dreißiger Jahren auf das Familienleben. In den fünfziger Jahren kommt der Bereich Freizeit hinzu. Es steigt der Anteil an farbiger Werbung. Frische- und Gesundheitsmotive lassen sich jetzt überzeugend in Szene setzen.

„Eisschränke sind jetzt wohl in jeder besseren Hauswirtschaft anzutreffen und durch die sich immer weiter ansteigende Nachfrage nach denselben ist ihre Konstruktion jetzt bedeutend vervollkommnet und bildet die Fabrikation der Eisschränke jetzt einen bedeutenden Industriezweig“, schreibt Ernst Nöthling, Architekt und Lehrer an einer Baugewerkschule, im Jahre 1896 in seinem Buch über „Die Eiskeller, Eishäuser und Eisschränke“. Angeblich war die Heimat der auch „tragbare Eiskeller“ genannten Holzschränke Wien. Die Information hat Nöthling dem 1874 erschienenen Buch von Ernst Swoboda entnommen: „Über die Anlegung und Benutzung transportabler und stabiler Eiskeller“. Eisschränke standen vor allem in städtischen Haushalten, da hier eine regelmäßige Versorgung mit Eis gewährleistet war. Das Eis wurde von Flüssen und Seen gewonnen oder mit Maschinen als Kunsteis produziert. Eisschränke gab es bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Sie waren jetzt glatt und weiß wie die modernen Reformmöbel dieser Zeit. Mit Eis wurde sogar noch in den ersten Jahren nach Ende des Zweiten Weltkriegs gekühlt.

Wie die Kälte in die Küche kommt: 2. Von der Jahrhundertwende bis in die zwanziger Jahre

Noch bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhundert sorgt Eis für die Kühlung der Lebensmittel im Haushalt. Es gibt zwar elektrische Kühlschränke, doch die bereiten im Alltag einige Probleme. Die Kühlaggregate sind an die Wasserleitung angeschlossen oder brauchen Ventilation, da sie selbst Kühlung benötigen. Der Kühlprozess ist nicht automatisch. Er muss mit Schaltern und Hebeln geregelt werden. Die Kühlmittel können entweichen, sind gesundheitsschädlich und feuergefährlich. Der Betrieb läuft wegen unstabiler Stromversorgung nicht ungestört. Manche Geräte haben laute Motoren, der Platzbedarf ist groß und Strom ist teuer.

Molkereien, Fleischereien und Restaurants zählen zu den ersten Kunden. Milchprodukte und Fleischwaren müssen gekühlt, Getränke sollen kalt serviert werden. Ansonsten nutzen zunächst nur großbürgerliche Haushalte die Geräte. Die Werbung zeigt Dienstmädchen mit Häubchen und weißer Schürze.

Es sind viele Anbieter mit ganz unterschiedlichen Konstruktionen auf dem Markt. Mit Blick auf die Verkaufszahlen in Amerika rechnen sie auch in Deutschland mit guten Geschäften. Doch der führende Kälteexperte Rudolf Plank schreibt 1928, leider sei die Anschaffung „einem großen Kreis von Interessenten in Europa“ nicht möglich.

Wie die Kälte in die Küche kommt: 3. Dreißiger und vierziger Jahre

In den dreißiger Jahren stellen sich erste Verkaufserfolge ein. Zwar haben schon im vorherigen Jahrzehnt einige Firmen ihre Kühlschränke vorgestellt, aber das waren großformatige Geräte. Die neuen Modelle dagegen brauchen weniger Platz, weil der Antrieb nun kompakt ist und innerhalb des Gehäuses untergebracht werden kann. Die Werbung verspricht eine vollautomatisch arbeitende Technik. Die Geräte passen besser in die moderne Küche als die Vorgängermodelle. Hier arbeitet nun die Hausfrau und nicht mehr das Dienstmädchen.

Der Anschaffungspreis ist jedoch hoch, was sich auf die Nachfrage auswirkt. Strom- und Gaserzeuger betreiben gemeinsam mit den Geräteproduzenten Werbung für den Kauf. Zeitschriftenartikel beschreiben die Vorzüge des Kühlens. Im Rahmen des staatlichen Programms „Kampf dem Verderb“ werden Pläne für einen preiswerten „Volkskühlschrank“ vorangetrieben. Mit Kriegsbeginn in den vierziger Jahren kommt das Vorhaben zum Erliegen. Überhaupt beendet der Krieg die Kühlschrankproduktion.

Wie die Kälte in die Küche kommt: 4. Vom Kriegsende bis in die sechziger Jahre

In den Nachkriegsjahren gibt es für Kühlgeräte zunächst noch keinen Bedarf. Die Wohnung bietet nicht genügend Platz und es gibt noch nicht viele Lebensmittel, die eine Kühllagerung benötigen. Mitte der fünfziger Jahre jedoch steigt die Nachfrage rasch an. Die etablierten Hersteller müssen sich jetzt den Markt mit zahlreichen neuen Anbietern teilen (z. B. Saba, Frigor, Bähre, Bauknecht, Liebherr). Das führt zu preiswerten Geräten. Außerdem drücken die Versandhäuser „Quelle“ und „Neckermann“ die Preise.

Kühlschränke werden nicht mehr mit Möbelbeinen gebaut. Sie sind jetzt ohne Holzrahmen, ganz aus Stahlblech und zeigen sich in attraktivem Design mit gewölbten Türen, verchromten Griffen und glänzenden Firmenemblemen. Vorbild ist das Automobildesign. Der Innenausstattung wird vermehrt Aufmerksamkeit gewidmet. Die Innenfläche der Tür kann nun auch als Abstellplatz genutzt werden. Es gibt ein Butterfach und Etageren. Der Schrankraum hat ausziehbare oder sogar schwenkbare Roste. Unten sind Schubladen für Gemüse und oben gibt es das Verdampferfach mit Eiswürfelschale. Im Schein des Kühlschranklichts glänzen goldfarbene Dekorleisten.

Wie die Kälte in die Küche kommt: 5. Vom Kühlen zum Tiefkühlen

Seit den sechziger Jahren gehören Kühlschranke zur Grundausstattung der meisten Haushalte. Gerichtsurteile bestätigen deren Unverzichtbarkeit für die Vorratshaltung. Kühlschränke dürfen seit 1964 nicht mehr gepfändet werden. In der Küche unterscheiden sie sich bald kaum noch vom übrigen Mobiliar. Nun wird verstärkt für das Kühlen mit ganz niedrigen Temperaturen, für Gefrierfach und Tiefkühltruhe im Haushalt geworben.

Es beginnt in den fünfziger Jahren mit Gemeinschaftskühlanlagen in ländlichen Regionen. Hier können einzelne Fächer gemietet werden. In den USA gibt es längst schon Kühlschränke mit Gefrierfach. Frigidaire präsentiert 1930 das erste Modell.

Um 1960 wird dem deutschen Landhaushalt die „Heimgefriertruhe“ mit dem Slogan „Tiefer Frost schenkt frische Kost“ angeboten. Bald heißt es bei Bosch – auf den Stadthaushalt bezogen: „Modern konservieren – mit BOSCH gefrieren“. Die Werbung verspricht, „auf Eis gelegt“ könne eine zubereitete Mahlzeit nun jederzeit aufgetischt werden. Für Gäste lasse sich ein fertiges Menü schnell auf den Tisch „zaubern“.

In den siebziger Jahren wird für „Tiefgefrier-Abteil“ und „Abtau-Automatik“ geworben. Das gilt zunächst noch als „Luxus“ und ist für den „anspruchsvollen“ Haushalt. Bald aber gehören Tiefkühlprodukte zum Alltag. Erfolgreiche Produkte sind Fischstäbchen, Spinat und Pizza. Temperaturen von konstant -18° Celsius bereitzuhalten, ist jetzt für jeden Haushalt selbstverständlich. In tiefkalten Schubladen der Gefrierschränke lassen sich steinharte Lebensmittel übersichtlich sortieren.

Formstudien: Der Wandel des Designs im Zeitraum von 50 Jahren

Elektrische Kühlschränke werden seit 1910 von BBC in Mannheim produziert. Es sind „A.S. Kühlautomaten“. Ab 1922 baut Escher Wyss in Lindau den „Autofrigor“. Er wurde 1914 in Zürich entwickelt.

Die frühen Kühlmöbel, die in kleingebewerblichen Betrieben, aber auch in Privathaushalten stehen, sind klobige Schränke. Deren Form hat sich im Verlaufe weniger Jahrzehnte gewandelt. Das lässt sich anhand grafischer Darstellungen aus Werbeanzeigen und Firmenbroschüren nachvollziehen. In den ersten Jahren sind technische Überlegungen ausschlaggebend. Ingenieure verbinden ihre komplizierten Kühlmaschinen mit Holzgehäusen, die baulich von Eisschränken abgeleitet sind.

Aus Holz ist bei der nächsten Generation von Kühlschränken nur noch der Rahmen des Gehäuses. Er wird nun mit Stahlblech ummantelt. Erfahrungen mit Blechpressen in der Autoproduktion fließen in diese Entwicklung ein. Die Aggregate sind jetzt kompakt und können oben oder unten in die Schrankgehäuse eingefügt werden.

In den USA haben zu dieser Zeit bereits Designer die Formgebung übernommen. Raymond Loewy entwirft 1934 dort den „Coldspot“, und es beginnt die Phase des „Streamline-Design“. Das Kühlaggregat wird nach unten verlegt. Das erlaubt die Abschaffung der Schrankfüße, und der Schrank bekommt glatte, leicht zu reinigende Flächen. Elegante Geräte ohne Füße gibt es in Deutschland bei Siemens gegen Ende der dreißiger Jahre.

Zur Umstellung vom blechumkleideten Holzrahmen auf die in den USA längst übliche Ganzstahlausführung kommt es in Deutschland erst in den nach dem Zweiten Weltkrieg errichteten neuen Fabriken. Es wächst nun auch hier die Nachfrage nach Kühlschränken, und es beginnt die Zeit, in der Griffe und Markenembleme der Geräte wie Schmuckobjekte aussehen.

In den sechziger Jahren setzt die Standardisierung des Küchenmobiliars ein. Das Design wird Bedingungen der Ergonomie untergeordnet. Kühlschränke werden infolge der DIN 18022 von 1957 zu Elementen im genormten Küchensystem.

Humor in der Kühlschrankwerbung

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts werden humorvolle Bildmotive, skurrile und witzige Szenerien in der Werbung für Kühlschränke genutzt. Eisbären und Eskimos, die auf Eisschollen stehen, haben bereits für Eisschränke geworben. Groteske Eisgespenster treten noch in den zwanziger Jahren aus Kühlmöbeln hervor. Einige Motive spielen mit dem eisigen Schrecken, mit unheimlichen Aspekten der Kälte.

In den dreißiger Jahren kommt der „Ate“-Schneemann zu den arktischen Bildwelten hinzu. Im Nachkriegsjahrzehnt werden als Illustratoren bekannte Cartoonisten beauftragt. Sie bereichern die Werbung mit einem eigenen charakteristischen Strich. Gerhard Brinkmann (1913-1990) arbeitet für die Firma Alaska, zeichnet aber auch für Dujardin (Weinbrand) und Uhu (Klebstoff). Von Vicco von Bülow (Loriot, 1923-2011) gibt es Illustrationen für die Firma Linde.

Gefahren gehen jetzt von Stubenfliegen und Mäusen aus. Sicherheit bietet der Kühlschrank. Wenn er fehlt, wird ein Ableben nach dem Genuss nicht gekühlter Lebensmittel mit humoristischem Strich kommentiert. Die Werbefotografie der sechziger Jahre setzt auf originelle Motive und schafft mit Collagetechniken verblüffende Inszenierungen.

Amerika - ein Vorbild

Der städtische amerikanische Haushalt nutzt die Kälte in der Küche schon seit dem 19. Jahrhundert. Die Versorgung mit Eis gehört hier zum Alltag. Es ist daher nicht erstaunlich, dass die Entwicklung elektrischer Kühlschränke in den USA früher einsetzt als anderswo. Firmen wie Kelvinator (1914), Frigidaire (1916) und General Electric (1923) treiben die technischen Prozesse rasch zur Serienreife voran. Den Geräteverkauf unterstützen die Strom- und Gaserzeuger.

Amerika ist Vorbild für deutsche Produzenten, doch die Verhältnisse sind eigentlich nicht vergleichbar. Besondere klimatische Bedingungen sorgten in Amerika schon früh zur Nachfrage nach Eis. Staatliche Kredithilfen sowie niedrige Anschaffungspreise befördern dann die Bereitschaft zur Anschaffung eines Elektrogerätes. Gibt es noch 1923 nur 20.000 Haushalte in den USA mit einem Elektrokühlschrank, so verkauft allein Frigidaire bis 1935 drei Millionen Geräte. 1939 besitzen mehr als die Hälfte der amerikanischen Haushalte einen Kühlschrank. In Deutschland sind es dagegen kaum fünf Prozent.

Die amerikanische Produktwerbung setzt auf große Inszenierungen. Geräte werden wie Stars auf der Bühne gefeiert oder im Haushalt den Gästen in Abendgarderobe vorgeführt. Der erste Kühlschrankstar heißt „Monitor Top“. Eine Millionen Geräte sind 1931 verkauft. Alsbald verliert er an Attraktivität. Das klobige, an einen mechanisierten Eisschrank erinnernde Stück muss drei Jahre später einem von Designer Henry Dreyfuss geformten Gerät weichen.

In den vierziger Jahren beherrschen Geräte im „Streamline-Design“ den Markt. Die Konkurrenz ist zahlreich. In der Werbung wird in Motivwahl und Bildgestaltung auf Großzügigkeit gesetzt. Das gilt auch in den fünfziger und sechziger Jahren. Die Werbung der deutschen Hersteller dieser Zeit ist vergleichsweise bescheiden.

Gesundheit und Frische

Kälte wird seit Jahrhunderten genutzt, um Vorräte gegen vorzeitiges Verderben zu schützen. Noch bis ins zwanzigste Jahrhunderts kommt Eis zur Kühlung der Lebensmittel im Eisschrank zum Einsatz. Doch Eis schmilzt und die dadurch im Schrank erzeugte Luftfeuchtigkeit schädigt die Lebensmittel.

Der elektrische Kühlschrank sorgt für Kälte ohne solche Probleme. Auf den Vorzug trockener Kälte wird in der Werbung hingewiesen und das Kühllagern sogar mit Frische gleichgesetzt. Hier heißt es, Kälte halte Lebensmittel „länger“ oder sogar „dauerhaft frisch“. Doch Kälte kann nur Stoffwechselprozesse verzögern, und Frische ist ein kurzfristiger Zustand, der sich nicht endlos ausdehnen lässt.

Die Verfügbarkeit frischer Lebensmittel ist das wichtigste Argument beim Verkauf von Kühlschränken. Die Werbung zeigt Bilder von erntefrischem Obst und schlachtfrischem Fleisch. Beliebte Bildmotive sind Kirschen und Wurstplatten.

Frische Nahrung ist eine Basis für gesundes Leben. Sorgt also Kühltechnik für die Frischhaltung der Nahrung, dann ist der Kühlschrank - wie es 1934 in einer Eisfink- Werbung heißt - ein „Wächter der Gesundheit“. Gesundheit wird insbesondere den Kindern gewünscht. Daher zeigt die Werbung vor allem Bilder fröhlicher Jungen und Mädchen.

Familie und Gesellschaft

Werbung für Kühlschränke stellt nicht nur die Geräte vor, sie berührt auch Wohn- und Sozialverhältnisse, wenn sie Küchenräume zeigt, den gedeckten Tisch, das Servicepersonal, die Hausfrau als Dame, den Ehemann, der Wünsche erfüllt. Sie inszeniert auch Bilder geglückten Familienlebens.

Anfangs steht der Kühlschrank noch in den Wirtschaftsräumen, dem Arbeitsbereich des Dienstpersonals. Er gehört zum wohlhabenden Haushalt. Das elegant gekleidete Ehepaar wird im Salon vom Hausmädchen bedient. In den dreißiger Jahren finden Veränderungen statt. Kompakt geworden, erhält der Kühlschrank jetzt seinen Platz in der Arbeitsküche. Dienstboten sind in nur wenigen Haushalten bezahlbar. Die Hausdame wird Hausfrau und kleidet sich als moderne Frau im Stil der Zeit. Die Familienbilder zeigen eine klare Aufgabenzuweisung. Der Mann erwirtschaftet das Einkommen, die Frau kümmert sich um den Haushalt und sorgt für das Wohl der Familie, insbesondere für die Gesundheit der Kinder.

In den fünfziger Jahren ist die Rollenaufteilung unverändert. Der Ehemann ist Haushaltsvorstand, die Ehefrau kauft ein und ist für die Ernährung zuständig. Anspruchsvolle Garderobe wird nun in der Werbung kaum noch gezeigt. Stattdessen gibt es jetzt vermehrt Bilder mit Freizeitmotiven.

Weihnachten mit Bosch

Obwohl der Sommer für den Kühlschrankkauf die beste Jahreszeit ist, wird auch im Winter für Kühlgeräte geworben. Die Firma Bosch erklärt dem Elektrohandel in einer Informationsbroschüre, dass große Anschaffungen zumeist zum Weihnachtsfest getätigt werden, während im Sommer das Geld für Freizeitaktivitäten ausgegeben wird. Für die Weihnachtswerbung verwenden einige Unternehmen anfangs noch keine spezifischen Motive. Es genügt ein Texthinweis. Das ändert sich in den fünfziger Jahren.

Der Kühlschrank gilt bis in die sechziger Jahre als ein ideales Weihnachtsgeschenk. Es soll die ganze Familie und - der Werbung zufolge - insbesondere die Hausfrau beglücken. Der Hausherr zeigt mit Stolz auf sein Geschenk an die Gattin, und die Frigidaire-Werbung bestätigt, dass Männer „doch richtig schenken“ können.

Auffallend häufig verwendet die Firma Bosch weihnachtliche Motive. Sie finden sich in der Werbung von den dreißiger bis in die sechziger Jahre. Kühlschränke werden oft gemeinsam mit anderen Bosch-Erzeugnissen angeboten. Die weihnachtlichen Bildmotive reichen in den Anzeigen von Zweigen und Engeln über Kugeln und Sterne bis hin zu Christbaum und Weihnachtsmann.

Weihnachten ist die Zeit für kostspielige Geschenke. Ein Kühlschrank ist teuer. Für den 365.- RM teuren 60 l-Bosch von 1933 hat ein Arbeiter fast drei Monatslöhne zu zahlen. 1960 entspricht der Preis von 558.- DM für ein 150 l-Standmodell von Bosch immer noch mehr als einem Monatslohn. Nur mit langfristigen Ratenzahlungen, die bis zu 24 Monaten reichen, ist also eine Anschaffung möglich.

Der hohe Wert des Gerätes in den Nachkriegsjahren spiegelt sich in Produktnamen wie „Diplomat“ (Alaska), „Silberstreif“ (Bosch), „Prestige“ (Electrolux), „Aristocrat“, „Juwel“ und „Brilliant“ (Ate). Später gibt es nur noch eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen. Für den Kühlschrank als Weihnachtsgeschenk wird jetzt nicht mehr geworben.

Zeit und Geld

Die Anschaffung eines Kühlschranks ist bis in die fünfziger Jahre mit hohen Kosten verbunden. So ist beispielsweise im Jahr 1954 für den 120 l „Juwel“ der Frankfurter Firma Alfred Teves (Ate) ein Kaufpreis von 775,- DM zu entrichten. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen liegt bei 512,- DM pro Monat. Wer das teure Gerät kauft, erwartet zu Recht einen hohen Nutzwert.

Die Werbung stellt die Ersparnis von Zeit als wichtige Produktqualität heraus. Sie zeigt, dass mit dem Besitz eines Kühlschranks der Gang in abgelegene Kellerräume unnötig wird. Das Motiv entstammt noch der Vorkriegszeit. Damals waren geräumige Keller üblich. Vorratskeller sind in den Neubauten der Wiederaufbaujahre längst nicht mehr die Regel.

Zeitökonomie ist ein Merkmal der beruflichen Arbeitswelt. Optimierung von Zeit gehört im 20. Jahrhundert auch zur rationellen Haushaltsführung. In der Küche werden Laufwege, Greifbewegungen, Position und Höhe von Arbeitsflächen exakt vermessen. Als weiterer Vorteil eines Kühlschrankkaufs gilt der finanzielle Gewinn, obwohl dieses Gerät teuer ist. Die Werbung visualisiert die wirtschaftlichen Verluste, die durch verdorbene Lebensmittel entstehen, mit dem Motiv des Mülleimers. Wer nicht kühlt, so ist die Botschaft, kann das Geld für Lebensmittel auch direkt in den Mülleimer werfen, da sie ungekühlt verderben.

Gutes Zeitmanagement und Kostensenkung zeichnen den modernen Haushalt aus. Die Werbeanzeigen versprechen ein entspanntes Leben, denn es wird jetzt auch Kraft gespart. Wer Zeit, Geld und Kraft rationell einsetzen kann, der verfügt über mehr Freizeit. „Technik schafft Freizeit“ lautet ein Slogan der Energiewirtschaft in den sechziger Jahren.

Werbekampagnen: 1. Linde

Linde wirbt für zeitgemäßes Wohnen

Mit dem Motto „Linde hat die längste Erfahrung in Kältetechnik“ erinnert das 1879 gegründete Unternehmen an seine Tradition auf dem Gebiet der Kälteerzeugung und vermittelt mit den Bildern einer Anzeigenserie Einblicke in eine „Welt, in der wir morgen leben!“ Das Motto geht möglicherweise auf den Slogan der New Yorker Weltausstellung von 1939 zurück. Es lautete: „Building the World of Tomorrow“. Damals haben Designer und Architekten im Auftrag großer Unternehmen wie General Electric, Westinghouse, Ford, General Motors etc. ihre Visionen vom Leben im Jahre 1960 in Szene gesetzt.

Die Bildfolge der Anzeigenserie ist aus dem Jahre 1960. Sie stammt von Alfred Koella (1913–2007). Der Maler und Grafiker lebte in Zürich und unterrichtete an der dortigen Kunstgewerbeschule das Studienfach Modezeichnen. Er arbeitete als Werbegrafiker für viele bekannte Unternehmen (Swissair, Mövenpick) und wurde auch mit Stadtansichten und Landschaftspanoramen bekannt.

Alfred Koella zeigt in seinen Bildern Wohnideen und städtebauliche Konzepte, die sich an Entwürfen fortschrittlicher Architekten der zwanziger Jahre orientieren. Er illustriert moderne Mobilität und veranschaulicht die Zukunft der Energieversorgung, die zu seiner Zeit noch auf Kernkraft ausgerichtet ist. Koella entwirft in den Werbeanzeigen das Bild einer geordneten, vom technischen Fortschritt bestimmten Welt.

Werbekampagnen: 2. Bauknecht

"Bauknecht weiß, was Frauen wünschen"

Im Jahre 1954 erfindet der Ingenieur Walter Rübsam den Slogan „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen“. Der Satz ist charakteristisch für die Nachkriegsjahre, in welchen die Frauen für den Haushalt zuständig sind und Kühlschränke sowie Waschmaschinen ganz oben auf der Wunschliste stehen.

Die 1919 gegründete Firma Bauknecht beginnt 1951 im schwäbischen Welzheim mit der Kühlschrankproduktion. Zuvor war die Firma mit dem Elektromotor „Landfreund“ und der „Allfix“ Küchenmaschine erfolgreich. 1954 entsteht ein Werk in Calw. Die dort hergestellten Kühlschränke haben die „Vollraum-Nutzung“ als besondere Produktqualität. Sie wird durch den „Flachverdampfer“ ermöglicht, der eine zusätzliche Ablagefläche im Kühlraum schafft. Der Raum, so heißt es in der Werbung, scheine „innen größer als außen zu sein“. „Vollraum-Nutzung“ ist ein Verkaufsargument bis in die sechziger Jahre.

1956 wird für den „Aromaschutz“ geworben. Bauknecht besitzt das Patent auf ein Filterobjekt zur Verhinderung von Geschmacksübertragungen, die sich bei dichter Lagerung unterschiedlicher Lebensmittel ergeben. 1959 ist die „regelbare Tiefkühlung“ eine Produktneuheit. Das Tiefkühlfach wird in ein Kühlfach umgewandelt, wenn keine Tiefkühlwaren gelagert werden. 1964 heißt diese Regelung „Polarstrom-Effekt“.

Ein Tiefkühlfach kann Probleme bereiten. An seiner kalten Wand bilden sich in der feuchten Luft des Kühlschranks kleine Eiskristalle. Die „Abtau-Automatik“ sorgt hier ab 1959 für Abhilfe. Ein automatisch aktiviertes Heizelement verhindert die Eisbildung. Das Tiefkühlfach hat Temperaturen von -18 Grad. Um Lebensmittel einfrieren zu können, werden aber weit niedrigere Temperaturen gebraucht. 1964 wird mit „Polarfrost“ geworben. Wichtig ist für die moderne Arbeitsküche die Norm (DIN) 18022. Sie legt unter anderem die Geräteformate fest. 1962 gibt es daher den neuen „Bauknecht-Stil“, und es wird für die „Vollraum-Normlinie“ geworben.

Den Wettbewerb der sechziger und siebziger Jahre überstehen nur wenige Gerätehersteller. Einige kooperieren mit Konkurrenten oder werden aufgekauft. Bauknecht geht 1989 in Besitz des US-Konzerns Whirlpool über. Die Produktionsstätten, auch das Kühlschrankwerk in Calw, werden stillgelegt. Der einprägsame Slogan von 1954 gilt 2004 als unzeitgemäß und wird durch „Heute leben“ ersetzt.

Werbekampagnen: 3. Frigidaire

Frigidaire - elektrisch-automatische Kühlung

„Frigidaire“, seit 1918 eine Tochtergesellschaft von General Motors (GM), kommt 1926 mit seinen Kühlschränken auf den deutschen Markt. Der Produktionsort ist hier zunächst Berlin und ab 1937 auch Rüsselsheim, wo anfangs nur Gehäuse, wenig später aber gleichfalls Aggregate hergestellt werden. Produziert wird in den 1929 von GM erworbenen Opel-Werken und zwar in den Räumen, die dort bisher der Fahrradproduktion dienten.

Eine erste Anzeigenserie macht mit dem neuen Anbieter bekannt. Es wird für „elektrische Kälte“ geworben, die ohne Eis funktioniert, aber Eiswürfel erzeugen kann. Die Werbung richtet sich an wohlhabende Haushalte, wo sich Dienstpersonal um die Vorratshaltung kümmert. Frigidaire beliefert auch den Lebensmittelhandel und die Gastronomie mit Kühlgeräten.

Das GM-Unternehmen profitiert von Forschungen, Produktionsmethoden und dem Designstudio des Automobilkonzerns. Die Entwicklung des Kältemittels „Freon“, die Praxis der Blechverarbeitung und Ideen zum Gerätedesign sind der Verbindung mit GM zu verdanken.

1935 wirbt Frigidaire in den USA für ein Modell, welches 1939 auch in Rüsselsheim produziert wird. Während es in Deutschland bis 1950 im Angebot bleibt, gibt es in Amerika schon bald ein neues Modell. Der Entwurf stammt von Raymond Loewy, der zuvor mit dem „Coldspot“-Kühlschrank des Versandhauses Sears erfolgreich war. Er entwirft auch die Folgemodelle. Berühmt wird sein Frigidaire von 1950. Die elegante Gehäuseform nehmen sich deutsche Hersteller zum Vorbild. Frigidaire bringt amerikanisches Design nach Deutschland.

1953 wird mit dem Küchen-Kombi ein kleiner 120 l-Kühlschrank mit Arbeitsfläche hergestellt, mit dem Frigidaire auf die beengten Wohnverhältnisse in den deutschen Haushalten reagiert. „Das Beste wär’ ein Frigidaire“, so lautet der Slogan ab 1956. Mehr als 250 Vertragshändler bieten Frigidaire-Geräte an. Im Dezember 1959 wird die Produktion von Haushaltskühlschränken nach Frankreich verlagert. 1962 endet in Rüsselsheim auch die Produktion für den gewerblichen Bereich.

Prospekte und Broschüren

In Firmenprospekten und -broschüren der dreißiger bis fünfziger Jahre werden nicht nur technische Produktqualitäten beschrieben, sondern es wird auch der praktische Nutzen der Kühlgeräte für eine abwechslungsreiche Ernährung herausgestellt.

In den Anfangsjahren haben die Texte vor allem aus Reparaturanleitungen und Pflegehinweisen für Händler und Installateure bestanden. Dann aber werden diese Geräteinformationen durch Tipps zur richtigen Vorratslagerung sowie durch Rezeptvorschläge ergänzt.

Das Rezeptbuch von Electrolux aus den dreißiger Jahren steht beispielhaft für die aufwändigen Publikationen dieser Zeit. Es enthält mehr als 120 Speiserezepte und zusätzlich zahlreiche Tipps für Getränke. Die Illustrationen stammen von der Malerin Margarete Seeler (1909-1996). Sie hat in Berlin u. a. bei Käthe Kollwitz studiert, ist nach 1945 in die USA umsiedelt und hat dort mit Emailarbeiten Bekanntheit erlangt.

In den fünfziger und sechziger Jahren gibt es einen Boom an Schriften zur kalten Küche sowie Broschüren zur Zubereitung von Eisdesserts und Cocktailvariationen. Sie werden gezielt als Werbematerial zusätzlich im zunehmenden Wettbewerb um Konsumenten eingesetzt. Produzenten wie Frigidaire, Bosch, Bauknecht und Linde lassen reich illustrierte Rezeptbücher drucken. Die kenntnisreich verfassten Rezepte (z. B. von Erna Horn) sind oft grafisch anspruchsvoll ins Bild gesetzt.

Autovisionen

„Autós“ ist griechisch und bedeutet „selbst“. Das „Automobil“ ist ein „Selbstbeweger“. Die Kühlgeräte der zwanziger Jahre tragen Namen wie z. B. „Autofrigor“ und „Autopolar“. Kälte wird in ihnen automatisch und permanent produziert. Eisstangen und Eisschränke sind nicht mehr nötig.

Das Kühlschrankgehäuse trägt sich – wie eine Autokarosserie – selbstverständlich selbst. Das wiederum ist ganz selbstverständlich, denn Automobilproduzenten stellen auch Kühlschränke her. General Motors baut Frigidaire – in Deutschland bei der Tochtergesellschaft Opel. DKW ist für Kühlschränke, aber auch für Motorräder und Autos bekannt. Alfred Teves war Leiter der Automobilabteilung der Adler-Werke in Frankfurt bevor er die „Mitteldeutsche Kühlerfabrik“ gründet und später Ate-Kühlschränke produziert. Die Firma Linde lässt sich von Albrecht Graf Goertz, dem Designer des legendären BMW 507, Gefriertruhen entwerfen. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele.

„Autós“ ist wichtig. Auch das Licht wird im Kühlschrank nicht eingeschaltet. Es leuchtet – wie beim Auto – von selbst beim Öffnen der Tür. Das Problem des Abtauens ist ebenfalls automatisch gelöst. Die Eisbildung am Verdampfer wird mit Hilfe eines Heizelements verhindert, dessen automatischer Wärmeimpuls somit für optimale Kälte sorgt.

In den ersten Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts sind Kühlschränke keineswegs Automaten. Manche benötigen Wasser zur Motorkühlung, müssen ein- und ausgeschaltet werden und brauchen eine Kontrolle der Schranktemperatur. Die Technik ist störanfällig. Heute arbeitet ein Kühlschrank ohne jegliche Überwachung. Seine Technik ist zuverlässig und funktioniert rund um die Uhr. Er bleibt sich selbst überlassen und auch dann eingeschaltet, wenn er über längere Zeit alleingelassen wird.

Künftig könnte seine selbsttätige Arbeit noch weiter reichen. In den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts setzt eine Entwicklung zum Kühlautomaten ein, der nicht nur selbständig kühlen kann, sondern auch Termine erstellt, Nachrichten verschickt, Notizen aufnimmt oder von anderen Geräten Informationen erhält. Schon heute kann er selbst registrieren, was fehlt, eine Bestellung aufgeben und sich beliefern lassen. Das wird „smart“ genannt. Vielleicht schickt er bald dem Arzt eine Mail, wenn er bemerkt, dass die Mehrzahl der in ihm gekühlten Lebensmittel ungesund ist oder er weigert sich, solche Produkte zu lagern?

Kaltgestellt

Alles wird kaltgestellt. Die Kühlschrankwerbung zeigt Fleisch, Wurst und Torte unverpackt. Obst liegt in offenen Schalen im Schrank. Daneben gibt es Bohnen in der Dose. Bei den Getränken dominiert in den fünfziger Jahren die Milch. Bevorzugt präsentierte Alkoholika sind Weißwein und Bier. Auch Kornbrand steht in der Türablage.

Alles muss rein, egal wohin. Die Raumnot wird immer größer. Heißt es noch 1954, ein 90 l-Schrank genüge für vier Personen, wird 1979 einem Singlehaushalt ein Mindestkühlraum von 145 l empfohlen. Hinweise auf kühltechnisch geeignete Lagerplätze finden wenig Beachtung. Der Raum wird planlos vollgefüllt. Anfänglich hat der emaillierte Kühlraum nur wenige Stellflächen zu bieten. Bei General Electric werden ab 1933 die Abstände variabel. In den fünfziger Jahren erlaubt die neue Kunststoffauskleidung noch größere Flexibilität.

Die Tür ist bis 1932 innen flach. Dann lässt die Firma Crosley ein Drahtgestell patentieren, das der Innenfläche eingepasst ist und nennt den Kühlschrank „Shelvador“. Die Konkurrenz muss andere Lösungen finden. Bald erlaubt die Verwendung von Kunststoffen eine bessere Aufteilung der Türfläche. Es gibt jetzt Klapp- und Schiebefächer für Butter und Käse. Flaschen werden nun auch in der Tür abgestellt.

Seit Beginn der dreißiger Jahre haben amerikanische Kühlschränke ein Licht, das beim Öffnen der Tür leuchtet. Es ist wichtig, denn nur im Licht glänzen die kalten Vorräte appetitlich frisch. Amerikanische Designer entwickeln immer neue Ideen: Es gibt „swing out“ Ablagen, Drehtüren und eingebaute Radios. Von Deutschland gehen keine Impulse aus.

In den Werbeanzeigen ist der Kühlschrank zumeist geöffnet abgebildet. Das ist in kältetechnischer Hinsicht bedenklich und ebenso unvernünftig wie unverpackt gezeigte Lebensmittel. Doch die werbliche Präsentation ist eine Wareninszenierung. Der geöffnete und vollgefüllte Schrank verführt eher zum Kauf als die nüchterne Information über nutzbares Volumen.

Künftig kann auf solche Bilder verzichtet werden, denn die Attraktivität liegt dann im Digitalen. Der „Smartfridge“ scannt mit einer Kamera sein Innenleben und bestellt die fehlenden Waren. Wer ihn gewähren lässt, könnte am Ende von ihm völlig abserviert werden und wäre dann kaltgestellt.


Buchvorstellungen & Literaturtipps zur Ausstellung

Die Bücherliste ist keine repräsentative Auswahl, sondern ein begrenzter, subjektiver Blick auf die vielen Dimensionen der Kältethematik. Sie enthält Literatur unterschiedlicher Gattungen. Es werden Werke, in denen die jahreszeitlich bedingte Kälte eine Geschichte bestimmt, ebenso genannt, wie solche, in denen es um eisige politische Beziehungen zwischen Staaten geht. Physische Kälte, Winter und Frost können Anstoß oder Hintergrund zu einer Erzählung sein. Eis und Schnee werden in Expeditionsgeschichten zu Zeichen für Einsamkeit, Leere, Stille oder Unendlichkeit. Manche Bücher handeln von sozialer Kälte oder von Coolness als Verhaltensmodus. Die Vorschläge sollen darauf aufmerksam machen, welche bedeutende Rolle Temperaturen im gesellschaftlichen Klima einnehmen.

Zur Kältethematik liegen kulturgeschichtliche sowie sozial- und literaturwissenschaftliche Studien vor. Sie wurde in Ausstellungen, Anthologien und anderen Präsentationen und Untersuchungen behandelt.

Einige der hier vorgestellten Bücher können in der Stadtbibliothek ausgeliehen werden.

Überblickswerke

Überblickswerke

Inge Stephan, Eisige Helden. Kälte, Emotionen und Geschlecht in Literatur und Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Bielefeld 2019.

Ullrich Hellmann, Künstliche Kälte. Die Geschichte der Kühlung im Haushalt. Gießen 1990.

Hans-Christian Täubrich / Jutta Zschoecke, Unter Null. Kunsteis, Kälte, Kultur. München 1991 (Katalog).

Wessel Reinink, Eiskeller, Kulturgeschichte alter Kühltechniken. Wien/Köln/Weimar 1995.

Christine Reinke-Kunze, Die PackEISwaffel. Von Gletschern, Schnee und Speieseis. Basel 1996.

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Arktis/Antarktis. Bonn 1997 (Katalog).

Weitere Buchvorstellungen und Literaturtipps

Sten Nadolny, Die Entdeckung der Langsamkeit. Piper, München 1983.

Der Roman handelt vom Leben und den Arktisexpeditionen des Seefahrers John Franklin, der beim Versuch, die Ostwest-Passage durch das Eismeer zwischen Atlantik und Pazifik zu finden, gescheitert ist. Franklin wird als Person geschildert, die sich durch extreme Langsamkeit, aber auch hohe Konzentration und große Ausdauer auszeichnet. Die über mehr als 150 Jahre verschollenen Expeditionsschiffe wurden erst vor wenigen Jahren im Eismeer entdeckt.

Orhan Pamuk, Schnee. Hanser, München, 2005.

Der Roman handelt von dem Dichter Ka, der aus deutschem Exil in seine anatolische Heimatstadt reist. Diese wird durch einen Schneesturm von der Außenwelt abgeschnitten. In der Stadt gerät Ka in ein Spannungsfeld politischer und religiöser Ereignisse und erlebt eine Gesellschaft voller Strenge und Härte, für welche der kalte Schnee den passenden Rahmen bildet, wobei die Schneedecke aber Schärfen auch abmildern kann.

Peter Hoeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee. Hanser, München 1992.

Bei der Suche nach Erklärungen für den Tod eines Kindes stößt die Wissenschaftlerin Smilla Jaspersen auf Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit Polarexpeditionen einer Firma, die auf Grönland nach Bodenschätzen sucht. Bei der Aufklärung der Geschehnisse gerät sie wiederholt in Lebensgefahr.

Helmut Lethen, Verhaltenslehren der Kälte. Lebensversuche zwischen den Kriegen. Suhrkamp, Frankfurt 1994.

Die Studie untersucht die Strategien der avantgardistischen Neuen Sachlichkeit nach dem Ersten Weltkrieg, mit Verhaltensformen der Distanz, Kühle und Präzision in den Zeiten großer Unklarheit und des Verlustes „verbindlicher“ Werte zu neuer Sicherheit zu gelangen.

Oskar Negt, Kältestrom. Steidl, Göttingen 1994/2020.

„Kälte- und Wärmeströme bilden sich im Zentrum der Gesellschaft, was an den Rändern passiert, ist davon abgeleitet“ – schreibt der Autor. „Deswegen bestürzt und erregt Angst, dass wir uns offensichtlich in einem gesellschaftlichen Klima bewegen, in dem die längst vergangene geglaubte Mordlust in den Alltag einzugehen droht“. Dem Essay ist die Erzählung „Das kalte Herz“ von Wilhelm Hauff vorangestellt.

Mary Shelley, Frankenstein oder der moderne Prometheus. Artemis & Winkler, Düsseldorf, 2006.

Der 1818 erschienene Roman von der Erschaffung einer künstlichen Kreatur beginnt in der Arktis mit Briefen, denen die Geschichte von Victor Frankenstein zu entnehmen ist, und sie endet in der Eiswüste. Frankenstein ist seinem Wesen, das sich zu einem Monster entwickelt hat, dorthin gefolgt, um es zur Strecke zu bringen, was ihm nicht gelingt. Das Monster flieht und bleibt im ewigen Eis.

Jacques Lob/Benjamin Legrand/Jean-Marc Rochette, Schneekreuzer. Jacoby & Stuart, Berlin 2013.

Die erstmals 1982 erschienene Graphic Novel „Le Transperceneige“ zeigt in ihren Bildern eine Welt, die nach einem technisch bedingten Klimakollaps in Eis und Schnee erstarrt. Die letzte Zuflucht bietet ein langer Zug, der Schneekreuzer, der ohne Halt auf endlosen Schienen die tiefverschneite Welt umkreist.

Simon Schwartz, Packeis. Avant, Berlin, 2012.

Die Graphic Novel handelt von der Geschichte des afroamerikanischen Polarforschers Matthew Henson, der von den Inuit verehrt wurde und dessen herausragende Leistungen in Vergessenheit gerieten.

Kristina Gehrmann, Im Eisland. Bd. 1 die Franklin-Expedition; Bd. 2 Gefangen; Bd. 3 Verschollen. Hinstorff, Rostock 2015-2016.

Das dreibändige Werk erzählt die tragische Geschichte der Franklin-Expedition in zeichnerischer Darstellung. Die im Frühjahr 1845 gestartete Mission sollte die legendäre Nordwestpassage vom Atlantik in den Pazifik erkunden, scheiterte jedoch in dem weitgehend unkartierten Seegebiet.

Paul Theroux, Moskito Küste (Mosquito Coast, London 1983). Roman. S. Fischer, Frankfurt 1985.

Der Roman handelt von dem Erfinder Allie Fox, der den „american way of life“ verachtet und im honduranischen Dschungel eine riesige Eismaschine erbaut mit dem Ziel, die Lebensbedingungen in dieser zivilisationsfernen Region zu verbessern. Eis kommt hier nicht vor. Für Fox ist seine Eisproduktion im Dschungel der „Beginn der Vollkommenheit in einer unvollkommenen Welt“. Eis, so erklärt Fox mit Überzeugung, „ist Zivilisation“. Der Roman wurde mit Harrison Ford in der Hauptrolle verfilmt.

Frederick Knott, Wait until Dark. Theaterstück, S. French, London / NY, 1967.

Susy Hendrix, die nach einem Autounfall erblindete Frau eines Fotografen, erhält nächtlichen Besuch von drei Gangstern, die nach einer Puppe suchen, welche ihr Mann von einer Reise mitgebracht hat und ein Versteck für Heroin sein soll. Susy zerschlägt alle Lampen in der Wohnung und glaubt sich in der Dunkelheit im Vorteil. Die Gangster kommen jedoch auf die Idee, die Kühlschranktür zu öffnen. Das Theaterstück wurde mit Audrey Hepburn in der Hauptrolle verfilmt.

Allan Kaprow, Fluids, Fotodokumentation. Verlag der Buchhandlung Walter König, Köln 2005.

On June 13, 2005 three ice structures of various shapes and sizes were built in front of Basel exhibition center, on the roof of the car park opposite, and in the arcades of the Kunstmuseum Basel. They were left to melt.

Alexander Kluge, Wer sicht traut, reißt die Kälte vom Pferd. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010.

Landschaften mit Eis und Schnee. Ein Filmessay über die Kälte. DVD, 180 Minuten. Stroh im Eis. Achtzigseitiges Begleitbuch.

Im Vorwort des Begleitbuches heißt es: „Wesentliche Eigenschaften, ohne welche die Menschheit nicht überlebt hätte, stammen aus der Eiszeit. So z. B. die für Warmblüter wichtige Unterscheidung zwischen heiß und kalt.: Grundlage aller GEFÜHLE. Insofern kann man sagen, dass wir Menschen aus der Kälte stammen. Zugleich wird man aber beobachten können, dass Herzenskälte dauerhaft nicht zu ertragen ist“. A.K.

Jerker Virdborg, Eis. Roman, Reclam, Leipzig, 2002.

Vier Männer, ausgesuchte Schlittschuhläufer, die sich kaum kennen, bilden einen Spezialtrupp, um eine ihnen nicht bekannte Fracht über einen zugefrorenen Seeweg durch feindlich besetztes Schärengebiet zu bringen. Erreichen sie ihren Zielort nicht, wird sich die Fracht selbst zerstören.

Perikles Monioudis, Eis. Roman, Berlin Verlag, Berlin 1997.

Der Roman handelt vom Sohn eines Eisunternehmers, der nach Jahren im Internat nach Hause zurückkehrt, im Eisgeschäft des Vaters mitarbeitet und heimlich einen Eisapparat konstruiert.

Jules Verne, Die Eissphinx. Roman, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1987.

Ein reicher Amerikaner, Verehrer von Edgar Allan Poe, wartet auf den Kergueleninseln auf ein Schiff, das ihn in die Heimat bringen soll. Der Kapitän, welcher ihn aufnimmt und Poe ebenfalls schätzt, schlägt aber den Weg zum Südpol ein, um dort Personen ausfindig machen, die Poe in einem Roman beschrieben hat. Der Kapitän glaubt, es handele sich um eine reale Geschichte. Auf seiner Mitreise erlebt der Amerikaner zahllose Dramen. Am Ende ist das Schiff zerstört. Wenige Überlebende setzen die Reise fort und verlieren sich schließlich in der Eiswüste.

Jules Verne, Reise zum Mittelpunkt der Erde. Roman, Fischer-Taschenbuch, Frankfurt am Main 1991.

Der Roman behandelt die phantastische Reise, die der Hamburger Professor Lindenbrock gemeinsam mit seinem Neffen und einem isländischen Führer unternimmt, um unterirdische Erdschichten zu erforschen. Eingang zur Unterwelt ist der isländische Gletscher Snaefellsjökull.

Halldór Laxness, Am Gletscher. Roman, Steidl, Göttingen 1989.

Ein junger Theologe wird vom Bischof in Rejkjavik zu einer Gemeinde am Fuße des Snaefellsjökull geschickt, um zu erkunden, wie der dortige Pfarrer sein Amt versieht. Mit Tonbandgerät und Stenoblock ausgerüstet begibt sich der junge Mann in die abgeschiedene Gegend von Westisland, macht dort merkwürdige Bekanntschaften und wird in eigenartige Geschehnisse verwickelt.

Christoph Ransmayr, Die Schrecken des Eises und der Finsternis. Roman, S. Fischer, Frankfurt 1999.

Ransmayr erzählt in einer Mischung aus Dokumentation und Roman die Geschichte von der in den Jahren 1872 bis 1874 stattfindenden „k.u.k. österreich-ungarischen Nordpolexpedition“ und parallel dazu die fiktive Geschichte von Josef Mazzini, der 1981 auf Spitzbergen verschwand.

Werner Herzog, Vom Gehen im Eis. Erzählung, Hanser, München 1995.

Der Filmemacher Werner Herzog bricht am 23. November 1974 in München zu einer Wanderung nach Paris auf. Er möchte dort die von ihm verehrte Filmhistorikerin Lotte Eisner erreichen, die erkrankt ist. Es ist kalt. Schnee und Eis erschweren den Weg. Die Widrigkeiten des langen Fußmarschs werden bis zur Erschöpfung durchlebt. Am 14. Dezember 1974 erreicht Werner Herzog die französische Hauptstadt.

Paul Scheerbart, Glasarchitektur und Glashausbriefe. Renner, München 1986.

„Ohne einen Glaspalast ist das Leben eine Last“.

Fred Anderes / Ann Agranoff, Ice Palaces. Abbeville Press, Toronto 1983.

Das Buch erinnert an phantastische Architekturen aus Eis, die als ephemere Gebilde keine lange Lebensdauer haben und deshalb oft in Vergessenheit geraten sind. Die Beispiele aus Russland, den USA und Kanada reichen vom 18. bis zum 20. Jahrhundert.

Mario Merz, Igloos. Ausstellung Mailand 2018/19. Exhibition Booklet.

Ab 1968 erscheint der Iglu als ein stets wiederkehrendes Motiv in der künstlerischen Arbeit von Mario Merz. Die mit Stein, Glas, Jute oder Stahl beschichteten Gebilde erinnern an ursprüngliche Wohnräume und Grundformen bewohnter Orte. Der Katalog zeigt dreißig großformatige Werke aus der Serie der Iglus.

Lutz Fritsch, Bibliothek im Eis, 2004. Auflage 70 Exemplare.

Bibliothek von 1000 Büchern nahe der Neumeyer Station des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Antarktis. Entwurf von Lutz Fritsch. Die Bücher wurden speziell für diesen Ort von Künstlern und Wissenschaftlern gestiftet und mit einer Widmung versehen. Ort 70° 40,8’S/ 08° 16,2’W

Lutz Fritsch, Bibliothek im Eis.

Zwei Filme auf DVD: Eis Zeit Raum Künstlerfilm; Die Bibliothek im Eis von Maria Anna Tappeiner und Reinhard Wulf, 2007.

Thomas Bernhard, Frost. Roman, Suhrkamp, Frankfurt 1963.

Der Chirurg Strauch beauftragt einen Studenten, den physisch und psychisch kranken Bruder aufzusuchen und zu beobachten. Dieser ist Maler und lebt zurückgezogen in einem Gebirgsdorf in kalter und karger Natur. Der Student hält in sechsundzwanzig Tagebucheintragungen seine Begegnungen mit dem Maler fest und fühlt sich in dessen Gedankenwelt hineingezogen. Schließlich endet sein Besuch und er setzt das Studium fort. Der Roman schließt mit einer kurzen Mitteilung über den Tod des Malers. 

Elfriede Jelinek, Winterreise. Theaterstück, Rowohlt, Hamburg 2011.

Der Liederzyklus „Winterreise“ von Franz Schubert, 24 Lieder zu Gedichten von Wilhelm Müller, ist Anlass zu diesem Theaterstück, in welchem Biographisches und gesellschaftliche Ereignisse die Grundlage zur Reflexion über das Fremdsein in und mit der Welt bilden. Es ist eine Spurensuche in Sprach- und Klangbildern. „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh’ ich wieder aus“, heißt es bei Schubert, und mit einer ähnlichen Formulierung endet auch dieses Stück über die Reise in einer kalten Welt.

Annett Gröschner, Moskauer Eis. Roman, Kiepenheuer, Leipzig 2000.

Der Roman erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die ihre todkranke Großmutter pflegt und den Vater, einen Kälteingenieur, tiefgefroren in einer Kühltruhe findet. Aus der Perspektive der Tochter wird die in Magdeburg spielende Familiengeschichte rekonstruiert und dabei der Begeisterung des Vaters wie auch des Großvaters, der ebenfalls Kälteingenieur war, für Gefriertechniken nachgespürt. Ingenieur Kolbe hat an einem kältetechnischen Institut gearbeitet, hier in den letzten Jahren Eissorten erprobt und das „Moskauer Eis“ erfunden. 1989 wird das Institut aufgelöst, als dessen Leiter er bis zur Abwicklung eingesetzt war. Der Roman endet im Jahre 1995 mit einem Polizeiprotokoll über Nachforschungen zur Erzählerin, die des Mordes an ihrem Vater verdächtigt wird.

Franz Kafka, Kübelreiter. Erzählung . Fischer E-Book, 2010.

Hintergrund der Erzählung, die von Armut und Ungerechtigkeit handelt, ist der extreme Kriegswinter 1917. Der Ich-Erzähler lebt in einer eiskalten Wohnung und droht zu erfrieren. Er hat kein Geld für Heizmaterial und bittet den Kohlenhändler um Hilfe, doch diese wird ihm nicht gewährt. Der Sachverhalt wird nüchtern erzählt, jedoch mit Unwirklichem gemischt.

Jon Krakauer, In eisigen Höhen. Tatsachenbericht. Piper, München 2000.

Der Wissenschaftsjournalist und Bergsteiger Krakauer berichtet von einer Expedition zum Mount Everest und der Katastrophe, die sich am 10. Mai 1996 bei der Besteigung des Bergs ereignet. Zwölf der dreiunddreißig Teilnehmer überleben die Expedition nicht. Die Reportage handelt von dem dramatischen Ereignis, sie ist zugleich eine Kritik an der Kommerzialisierung des Bergsteigens, beschreibt aber auch dessen Faszination.

Adalbert Stifter, Aus dem Bayrischen Walde. Eine autobiographische Erzählung. Bibliothek der Provinz, Weitra 2002.

„Die Gestaltungen der Gegend waren nicht mehr sichtbar. Es war ein Gemisch da von undurchdringlichem Grau und Weiß, von Licht und Dämmerung, von Tag und Nacht, das sich unaufhörlich regte und durcheinander tobte, Alles verschlang, unendlich groß zu sein schien, in sich selbst bald weiße fliegende Streifen gebar, bald ganz weiße Flächen, bald Ballen und andere Gebilde und sogar in der nächsten Nähe nicht die geringste Linie oder Grenze eines festen Körpers erblicken ließ:“ Adalbert Stifter über einen Schneesturm im Jahre 1866.

Jochen Rausch, Krieg, Roman. Berlin Verlag, Berlin 2013.

Das Buch handelt von dem ehemaligen Lehrer Arnold Steins, der in einer abgeschiedenen Almhütte lebt. Sohn Chris ist im Krieg in Afghanistan gestorben. Ehefrau Karen auf vereistem Wasser eingebrochen und ertrunken. Steins möchte in der verschneiten Gebirgswelt alleine sein. Doch sieht er sich Angriffen eines unbekannten Gegners ausgesetzt und muss ums Überleben kämpfen.

Unter dem Titel „Fremder Feind“ wurde das Buch verfilmt. Premiere war bei den Filmfestspielen in Venedig 2017.

Gedichte

Christian Morgenstern (1871-1914)

Wenn es Winter wird

Der See hat eine Haut bekommen,

so dass man fast drauf gehen kann,

und kommt ein großer Fisch geschwommen,

so stößt er mit der Nase an.

 

Und nimmst du einen Kieselstein

und wirfst ihn drauf, so macht es klirr

und titscher – titscher – titscher – dirr...

Heißa, du lustiger Kieselstein!

 

Er zwitschert wie ein Vögelein

und tut als wie ein Schwälblein fliegen –

doch endlich bleibt mein Kieselstein

ganz weit, ganz weit auf dem See draußen liegen.

 

Da kommen die Fische haufenweis

und schaun durch das klare Fenster von Eis

und denken, der Stein wär etwas zu essen;

doch sosehr sie die Nase ans Eis auch pressen,

das Eis ist zu dick, das Eis ist zu alt,

sie machen sich nur die Nasen kalt.

 

Aber bald, aber bald

werden wir selbst auf eignen Sohlen

hinausgehn können und den Stein wiederholen.


Durs Grünbein, Vom Schnee oder Descartes in Deutschland. Frankfurt a. M., Suhrkamp 2003.

„Vom Schnee“ ist vieles. Ein Bilderrätsel; eine Unterhaltung in Versen, eine Hommage an die kälteste Jahreszeit und die Lehre von der Brechung des Lichts. Ein Bericht von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und von der Geburt des Rationalismus aus dem Geist des Schnees.

Hans Magnus Enzensberger, Der Untergang der Titanic, Suhrkamp, Frankfurt 1978.

Ein Versepos in dreiunddreißig Gesängen über die im Jahre 1912 geschehene Schiffskatastrophe, die in allen Einzelheiten dargestellt wird. Damit verbunden werden eine Reise des Autors nach Kuba im Jahre 1969 und die Arbeit am 1978 entstandenen Text. Das Werk behandelt nicht nur die Katastrophe, sondern unterschiedliche Aspekte des Umgangs mit dem Schiffsuntergang bis hin zur filmischen Bearbeitung des Ereignisses. 


Gottfried Keller (1819–1890)

Winternacht (1846–47)

Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,

Still und blendend lag der weiße Schnee.

Nicht ein Wölkchen hing am Sternenzelt,

Keine Welle schlug im starren See.

 

Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,

Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;

An den Ästen klomm die Nix herauf,

Schaute durch das grüne Eis empor.

 

Auf dem grünen Glase stand ich da,

Das die schwarze Tiefe von mir schied;

Dicht ich unter meinen Füßen sah

Ihre weiße Schönheit Glied um Glied.

 

Mit ersticktem Jammer tastet’ sie

An der harten Kante her und hin –

Ich vergeß’ das dunkle Antlitz nie,

Immer, immer liegt es mir im Sinn!


BONUS-MATERIAL: Eisgewinnung & Kälteproduktion in Mainz und Umgebung

Der folgende Streifzug durch drei Jahrhunderte Kältegeschichte ist die Kurzversion eines Textes, in dessen Langfassung sämtliche Quellenangaben zu finden sind, auf nachfolgend verzichtet wurde.

Eisgewinnung und Eisverwendung im 18. und 19. Jahrhundert

Eisgewinnung

Eis auf dem Rhein

Vor dem Einsatz von Maschinen zur Kälteerzeugung im späten 19. Jahrhundert war die Nutzung von Kälte an Eis gebunden. Natureis musste im Winter von Weihern, Seen und Flüssen gewonnen werden oder es wurde, wenn ein warmer Winter kein Eis auf dem Wasser entstehen ließ, von Gletschern der Hochgebirge abgebaut. Die Stadt Mainz war mit ihrer Lage am Rhein grundsätzlich gegenüber anderen, nicht an einem Fluss gelegenen Orten begünstigt, denn der zugefrorene Strom bot ein beträchtliches Eisreservoir. Es gibt zahlreiche Erzählungen und Bilder vom zugefrorenen Rhein. Sie berichten von den Gefahren, die von mächtigen Eisschollen für Schiffsverkehr und Uferanlagen ausgehen, aber auch vom Vergnügen eines Spaziergangs von Ufer zu Ufer über den Strom.

Angesichts der Fülle derartiger Bilder ist die geringe Anzahl an Informationen über die Eisgewinnung vom Rhein erstaunlich. Es ist nicht bekannt, ob die hier praktizierte Eisernte dem Vorgehen auf anderen Flüssen ähnlich war. So ist die Eisfläche auf nordamerikanischen Flüssen mit Pflügen in ein Rasterfeld aufgeteilt und dann mit Hilfe von Sägen in quadratische Stücke zerteilt worden. Das Eis konnte dann im Eishaus gestapelt werden. Nach diesem Verfahren wurde auch in Berlin und München gearbeitet. Gab es eine solche Praxis auch auf dem Rhein oder hat die hier oftmals zerklüftete Eisoberfläche solche Arbeitsweisen nicht zugelassen?

Eis vom Rhein bei Weisenau

Die Eisgewinnung vom Rhein in Mainz ist zwar schlecht dokumentiert, doch es gibt eine Ausnahme, bei der es sich jedoch um keinen historischen Bericht handelt. Max Brückner, vormaliger Ortsvorsteher von Weisenau, schildert 2007 in einem Aufsatz, „wie die Weisenauer aus Treibeis Kühleis machten“ und belegt, wie das vom Rhein gewonnene Eis in die Eiskeller der Brauereien gebracht wurde. Eisbedarf hatten zwei Brauereien in Weisenau. Die Brauerei Zum schwarzen Bären, bereits 1687 in Mainz gegründet, nutzte einen Teil der ausgedehnten, als Felsenkeller in den Berg getriebenen Gänge und Räume an der Mönchstraße zur Befüllung mit Eis.

Die Brauereigebäude haben den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden, während die Keller noch vorhanden sind. Am Ende des Hollagässchens ist ein Zugang. Der Stollen ist mit einem Tor verschlossen.

Die 1865 gegründete und an der Wormser Straße gelegene Rheinische Brauerei hatte auf eigenem Gelände, das den Hang hinauf bis zum Rheinhöhenzug reichte, an der obersten Stelle drei große Weiher angelegt. Sie wurden über Pumpen mit Rhein- und Grundwasser aufgefüllt. Unterhalb der Weiher, schreibt Max Brückner, „[sei] ein aus den dort gewachsen vorkommenden Kalkfelsen ein Stück mit einer Grundfläche von 40 mal 40 Metern bei einer Höhe von fast 20 Metern heraus gebrochen worden“. Der Raum konnte 30.000 Kubikmeter Eis fassen.

Für das Brauereiareal ist jetzt eine Wohnbebauung vorgesehen. Die vormalige Eiskellerfläche, ein in den Hang eingeschnittener Platz mit mächtiger, dreiseitiger Ummauerung, soll überbaut werden.

Orte der Eislagerung

Kästrich 

In Mainz gab es zur Eislagerung mehrere Orte. Einer davon war der Kästrich mit seinen seit Jahrhunderten bestehenden Felsenkellern. Die in den Kellern natürlicherweise vorhandene Kälte ließ sich durch Eis noch verstärken. Eine planmäßige Bebauung des Kästrich setzte zur Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Seinerzeit war die Sektkellerei Kupferberg von Laubenheim auf den Kästrich umgezogen und legte dort auf sieben Stockwerken 60 Keller mit einer Gesamtlänge von 4,5 Kilometern an.

Auch die seit 1859 auf dem Kästrich produzierende Mainzer Aktien-Bierbrauerei legte hier Lager- und Gärkeller neu an und verwendete auch solche, welche zuvor bereits die zahlreichen Hausbrauereien als Gärkeller benutzt hatten. Der Kästrich war also mit seinen Kelleranlagen über viele Jahrhunderte der „Getränkekühlschrank“ von Mainz.

Eisgrub“

Die Ortsangabe „Auf der Eisgrub“ findet sich auf Mainzer Stadtplänen bereits im 18. Jahrhundert. Sie gilt einer nördlich der Zitadelle gelegenen Örtlichkeit, in deren Nähe sich Kasernen befanden. Heute verläuft dort der zum Gautor führende „Eisgrubweg“. Die Örtlichkeit war ein beliebter Platz, erlaubte sie doch einen weiten Blick über die Stadt.

Aus dem Jahre 1782 stammt ein von den Ingenieuroffizieren Eickemeyer und Faber gezeichneter Entwurf „zur Verschönerung der Eisgrube“. Er zeigt den Platz mit seinen Gebäuden zwischen Zitadelle und Bastion Philipp.

Das Gebiet um die „Eisgrub“ ging in nördliche Richtung in einen Weinberg über, der nach seiner Aufteilung in Parzellen im späten 19. Jahrhundert mit Villen und Mietshäusern bebaut wurde. Am Fuße des Hangs verläuft die Weißliliengasse, an welcher die 1989 gegründete Gast- und Braustätte Eisgrub Bräu liegt. Diese ist in Gewölbekellern untergebracht.

Eisgruben in Mainz im 18. Jahrhundert

Eisgruben gab es im 18. Jahrhundert auch mitten in Mainz. So zeigt ein im Mainzer Stadtarchiv aufbewahrter Plan aus dem Jahre 1738 die „Eisgrube in der Domprobstey“. Diese lag am westlichen Rand des heutigen Gutenbergplatzes, zwischen Fuststraße und dem heutigen Staatstheater. Der Plan gibt die Eisgrube in Grundriss sowie Querschnitt wieder und dokumentiert dessen Lage im Keller des Gebäudes.

Ein weiterer, auf die Zeit um 1750 datierter Plan zeigt in Grundriss und Querschnitt die technische Konstruktion der „Eisgruben in der Domdechanei“. Das Gebäude lag ganz in der Nähe der Propstei und bildete mit dieser zusammen den kleinen Dompropsteiplatz. Der Platz musste dem Bau der heutigen Ludwigstraße weichen.

Die beiden Domherrenhäuser waren nicht die einzigen Höfe mit Eisgruben in Mainz. Einem Schreiben des Bürgermeisters Franz Konrad Macké aus dem Jahre 1806 an den Präfekten JeanBon de St. André ist zu entnehmen, dass einige Adelshöfe ebenfalls Eisgruben hatten. Es heißt außerdem, auch zum kurfürstlichen Hof habe ein Eiskeller gehört, welcher ausschließlich vom Hof genutzt und in der Fortifikation angelegt worden sei. Für die Bürger gab es keine Eiskeller.

Eisgrube in Schlangenbad im Taunus

Eisgruben gab es damals im Kurstaat an mehreren Orten. Das erste Dokument stammt vom 27. Januar 1745 und richtet sich an den kurmainzischen Verwalter in Schlangenbad. Die Hofkammer fordert ihn zum Auffüllen der herrschaftlichen Eisgrube auf. Ein undatierter Bericht des Hofbaumeisters Johann Singer wird zeitlich davor verfasst worden sein. Singer schreibt, er habe den Platz für die neu zu erbauende Eisgrube in Augenschein genommen. Dem Schreiben liegt eine Lageskizze bei. Die Eisgrube sollte nach Angaben des Zimmermanns Jakob Weiß aus Holz gebaut werden und ihre erste Füllung mit „Bleidenstatter Eis“ erhalten. Bleidenstadt liegt ungefähr vier Kilometer von Schlangenbad entfernt.

JeanBon de St. André und die Eisgrube am Münstertor (1806)

Einem Briefwechsel von JeanBon de St. André mit dem Mainzer Bürgermeister Franz Konrad Macké aus den Jahren 1806 und 1807 ist zu entnehmen, dass es einen gewerblichen Umgang mit Eis in der Stadt gab.

JeanBon de St. André war Präfekt des Départements Mont-Tonnerre in den Jahren von 1802 bis 1813 und als solcher in Mainz der höchste Repräsentant des französischen Staates. Er residierte im Erthaler Hof, nicht weit vom Münstertor entfernt, dem westlichen Zugang zur Stadt. Links vom Münstertor lag die Bastion Georg, in deren Bereich es eine Eisgrube gab. Pächter war der aus Limburg stammende Zuckerbäcker Peter Anton Neunkirch.

Die Lage der Eisgrube lässt sich auf einem Stadtplan aus dem Jahre 1838 erkennen. Sie ist hier als Festungseisgrube „im Bastion Georg“ angegeben und befand sich im unteren Abschnitt der heutigen Alicenstaße.

JeanBon de St. André beschwerte sich im Schriftverkehr mit Bürgermeister Macké über eine bereits seit mehr als vier Jahren andauernde unzuverlässige Belieferung mit Eis. Hierbei hatte der Präfekt weniger den eigenen Bedarf im Blick als vielmehr die ganz allgemein unbefriedigende Versorgung. Trotz seiner Verärgerung vergab St. André dennoch am 10. November 1806 an Pächter Neunkirch das Privileg, gegen einer Gebühr bei Theaterveranstaltungen Erfrischungen verkaufen zu dürfen.

Eiskeller auf dem Festungsgelände im 19. Jahrhundert

Die Eisgrube beim Münstertor befand sich auf dem die Stadt Mainz weiträumig umschließenden Festungsgelände. Sie war nur einer von mehreren Plätzen zur Einlagerung von Eis. Es gab auch Eiskeller auf der Zitadelle sowie der Bastion Raimundi. Außerdem ist von weiteren „zwei massiven Eiskellern“ im Bereich zwischen Bastion Martin und Bastion Alexander die Rede.

In Protokollen der Militärkommission der deutschen Bundesversammlung wird die „Eisgrube“ bzw. der „Eiskeller“ in der Bastion Georg beim Münstertor am häufigsten genannt. Die Notizen lassen deren Stellenwert für militärische Einrichtungen erkennen. Im „Handbuch der Militär-Gesundheitspflege“ wird 1875 empfohlen, wegen „der großen Wichtigkeit des Eises für das Krankenhaus sollte die Eisversorgung reglementarisch vorgesehen sein“. Eis wurde damals schon maschinell erzeugt, war aber teurer als das Natureis. Das Eis diente vor allem der Krankenbehandlung. Der Eiskeller an der Bastion Georg trug den Namen „Lazareth-Eiskeller“.

Eiskeller in Finthen

Im Mainzer Stadtteil Finthen gab es im 19. Jahrhundert ebenfalls Eiskeller. Mit der Straßenbezeichnung und Bushaltestelle „Am Eiskeller“ wird heute auf diese alten Eislagerorte aufmerksam gemacht. Tatsächlich befand sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz in der Nähe ein Brauhaus mit Bierausschank, das baulich  aus einer Stärkemühle hervorgegangen ist und später als Brauerei Königsborn bekannt wurde.

Das zum Kühlen benötigte Eis bezog die Brauerei von mehreren auf dem Gelände angelegten Weihern. Das Eis wurde nach seiner Entnahme auf Pferdewagen verladen und zum Eiskeller gebracht. Der Eingang liegt an der heutigen Waldthausenstraße. Er ist nicht weit von der erwähnten Bushaltestelle entfernt.

Weitere Eiskeller liegen auf dem Grundstück „Am Königsborn 5“ und sind ebenfalls noch vorhanden. Die Entstehungszeit dieser massiv gemauerten Kellerräume ist nicht bekannt. Der Brauereibetrieb kam nach dem Ersten Weltkrieg zum Erliegen.

Eisverwendung

Nach den Hinweisen auf die Eisgewinnung und Orte der Eislagerung soll kurz über den Eishandel und hier insbesondere von der Firma Hänlein berichtet werden, die in Weisenau tätig war.

Fluss- und Seefischhandel „F. C. Hänlein Sohn“ (1762–1913)

Der Mainzer Fischhändler Friedrich Carl Hänlein hatte im Rahmen des Verkaufes adeliger Güter ein Anwesen der Grafen von Schönborn in Weisenau übernommen. Das Grundstück lag beiderseits der Einmündung der Mönchstraße in die Wormser Straße und umfasste kleine Gebäude mit Gärten und Fischteichen. Hänlein besaß ein Geschäft in der Rheinstraße 33 unmittelbar am Fischtor in Mainz. 

Am Geschäft war ab 1825 auch Peter Anton Hänlein beteiligt. 1843 wurde dessen Neffe Joseph Wallau ebenfalls Teilhaber von F. C. Hänlein Sohn. 1863 folgte Bruder Peter Anton Wallau. Die Familie Wallau nutzte die Teiche in Weisenau zur Forellenzucht. Spätestens seit den achtziger Jahren gehörte neben dem Fischhandel auch der Eisverkauf zur Geschäftstätigkeit.

Das Eis vom Rhein kam in einen oberhalb der Teiche angelegten fensterlosen Bau, der zirka 1500 Kubikmeter umfasste. Doch dieser „Eiskeller“ reichte bald nicht mehr aus. Deshalb wurde unterhalb dieses Gebäudes in zwei Bauabschnitten ein weiterer Bau aus Bruchsteinen errichtet. Mit der Rückseite lag der 28 mal 18 Meter in der Grundfläche und 12 Meter in der Höhe messende Baukörper im Hang und konnte dort an der Oberkante angefahren und von oben mit Eis beschickt werden.

Während die Einlagerung von oben erfolgte, geschah die Entnahme am Fußpunkt des Kellers, wo es zwei Tore gab. Der Eiskeller wurde 1920 an den Altwarenhändler Jertz verkauft, der ihn 1968 an eine Spedition vermietete. Das Bauwerk ist noch vorhanden und steht als Dokument für eine Zeit, in der die Kälte aus dem Rhein und noch nicht durch Maschinen gewonnen wurde. Über den beiden Einfahrten sind Sandsteintafeln in das Mauerwerk eingelassen. Auf diesen steht: „Joseph Wallau. Erbaut 1884.“ und „Peter Anton Wallau, Friedrich Carl Wallau, Johann Bapt. Jos. Wallau 1890“. 

Eisfabrikanten und Eishändler im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert

Zu Eisgewinnung, Eishandel und Eisverwendung in Mainz im 19. Jahrhundert gibt es leider nur wenige Daten. Am 30. September 1867 wurde dem aus Darmstadt gebürtigen Johann Philipp Wagner das Recht erteilt, Eis im neu angelegten Winterhafen zu ernten. Johann Philipp Wagner besaß eine Schokolade-, Bonbons und conservirte Früchte Fabrik in der Neutorstraße. Sein Vertrag wurde am 1. Oktober 1870 aufgelöst. Wagner hatte sich mehrmals über Eisdiebstahl von der gepachteten Fläche beklagt.

1874 wird im Mainzer Adressbuch ein Hugo Cantor als „Kaufmann und Inhaber einer Fabrik zur Bereitung künstlichen Eises“ genannt. Über die Eismaschine, mit welcher er künstliches Eis herstellte, liegen keine Informationen vor. Auf der Mainzer Industrieausstellung, die im August und September des Jahres 1874 in der Fruchthalle stattfand, verkaufte Hugo Cantor Kunsteis in Blöcken für 1 Gulden und 24 Kreuzer pro Zentner. Cantor produzierte in den Ausstellungsräumen auch Medaillons aus Eis mit Reliefbrustbildern des Kaisers und des Großherzogs von Hessen. Da die Eisreliefs nur über wenige Stunden überdauerten, wurden sie zweimal am Tag erneuert.

Unter der Rubrik „Eisfabrikanten und -händler“ findet sich im Adressbuch zwischen 1874 und 1914 eine zunehmende Anzahl an Personen. Es sind Gastwirte, Konditoren, Fischhändler und Metzger, also Geschäftsleute, die Eis zum eigenen Bedarf brauchten und den Eishandel zusätzlich betrieben oder Fuhrleute, die alle Arten von Gütern transportierten. Auch die Verbindung von Kohle- und Eishandel kam vor.

Umgebung von Mainz

Eishäuser in Biebrich und in Wiesbaden

Bereits im 18. Jahrhundert wurde im Schlosspark von Biebrich ein Eishaus angelegt. Es befindet sich am heute verfüllten und nur noch auf Plänen erkennbaren sogenannten „Prinzessinnenweiher“. Ob der Hügel, unter dem es verborgen liegt, ursprünglich eine kleine architektonische Bekrönung trug, ist nicht bekannt. Die Wiederherstellung der zur Zeit nicht zugänglichen Anlage ist geplant.

Bis in die Gegenwart hat sich auch im Kurpark in der Innenstadt von Wiesbaden ein Eiskeller erhalten. Er befindet sich ebenfalls in der Nähe eines Weihers und ist unter einem Hügel verborgen. Dieser war anfangs mit einem eisernen Pavillon bekrönt. Es folgte ein chinesischer Pavillon. Heute ist der Hügel ohne Parkarchitektur und der Eiskeller ist nicht mehr zugänglich.

Schon für das Jahr 1769 ist die „Wiederanlegung einer Eisgrube“ in Wiesbaden dokumentiert. Doch sei, wie es im Jahre 1778 heißt, seinerzeit auf den Bau verzichtet worden, weil „nichts als Mühe und Schaden dabey herauskomme“. Im selben Jahr aber wurde „an diese dem Publico und in Sonderheit denen in der Hitze fast verschmachtenden Curgästen nützliche und angenehme Anstalt wieder gedacht“. Der „Badewirt“ Freinsheim erhielt die Erlaubnis zum Bau der Eisgrube. Er durfte die Grube auch betreiben.

Eishäuser in der Umgebung von Wiesbaden

Der Kaufmann Friedrich Karl Hench und der Schreiner Hermann Kaesebier hatten 1892 die Wasserrechte bei der Stickelmühle erworben und das Gelände im Goldsteintal mit seinen Weihern zur Natureisgewinnung genutzt . Ein dort errichtetes großes Eishaus gibt es nicht mehr. In der Nähe der Hubertushütte im Goldsteintal ist aber noch ein altes Eishaus erhalten.

Zwischen Wiesbaden und Naurod finden sich weitere, eigens zur Eisgewinnung angelegte Weiher. Bekannt sind Eisweiher bei der Kippelmühle. Das Eishaus steht in Rambach an der Niedernhausener Straße.

Überhaupt wurde von zahlreichen Weihern im Taunus im Winter das Eis gewonnen. So steht auch am Rande der vom Wellritzbach gespeisten Fischweiher bei der Fasanerie im Klarenthal ein altes Eishaus.

Im Großraum Mainz-Wiesbaden-Darmstadt gibt es viele Orte der Eislagerung. Auch in der Pfalz und in Rheinhessen sind Eiskeller erhalten. Im Kulturlandschaftskataster des Regionalverbands Rhein Main ist ein Eiskeller im Gebiet von Groß-Gerau verzeichnet. Er liegt unter einem Hügel am Schwarzen Berg in der Nähe von Dornheim und wurde im Jahre 1879 von einer lokalen Brauerei erbaut.

In Bad Homburg v. d. Höhe gibt es eine Eisgrube in einem westlich vom Schlosspark gelegenen und als „Kleiner Tannenwald“ bezeichneten Park. Die nach einem Plan aus dem Jahre 1835 rekonstruierte Grube gilt als eine der wenigen wiederhergestellten Anlagen in Deutschland.

Kälteproduktion und Kälteanwendung im 19. und 20. Jahrhundert

Während die winterliche Eisentnahme aus den Flüssen und Teichen allgemein sichtbar war und ebenso öffentlich geschah wie der sommerliche Handel mit Eis, erfolgten Produktion und Einsatz von Kältemaschinen an nicht für jedermann zugänglichen Orten. Es ist deshalb kaum bekannt, dass Mainz und der einstige Vorort Kostheim in der Geschichte der Kälteproduktion nicht unwichtig waren.

Mainzer Aktien-Bierbrauerei (1859–1982)

In der Geschichte der Eisgewinnung sowie bei der Entwicklung der maschinellen Kälteproduktion haben Brauereien wichtige Impulse gesetzt. Bei Kältemaschinen galt das in ganz spezieller Weise für die Mainzer Aktien-Bierbrauerei. Diese war nicht nur einer der frühesten Großbetriebe in Mainz, sondern wurde schon 1872 zu den bedeutendsten westdeutschen Brauereien gerechnet. Zunächst nutzte die Brauerei einen „Eis-Bier-Kühl-Apparat“ der Schweinfurter Firma Wilhelm Krackhardt. 1873 wurde eine nach Plänen des französischen Ingenieurs Ferdinand Carré in Paris produzierte Eismaschine aufgestellt. Da aber der warme Winter 1876/77 diese Maschine an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit brachte, kam es zum Erwerb einer neuen Maschine des Münchener Professors Carl Linde.

Allein schon wegen dieser Anschaffung, durch die auch andere, zuvor skeptische Brauereien zu Bestellungen veranlasst wurden, kann Mainz als wichtiger Ort für die Weiterentwicklung der Kältetechnik gelten. Es gibt aber noch ein anderes Ereignis. Hierbei kommt der schon als „Getränkekühlschrank“ von Mainz bezeichnete Kästrich erneut ins Spiel, genauer gesagt, der Brauhauskeller zum Rad, welcher sich auf dem Kästrich befand. Im „Bärenzimmer“ des Lokals unterschrieben am 21. Juni 1879 mehrere Herren einen Vertrag, mit dem sie die Gründung der Gesellschaft für Linde's Eismaschinen AG besiegelte. Sie legten damit zugleich den Grundstein zu einem Unternehmen, das in Kältetechnik weltweit führend werden sollte.

Der Geschäftsabschluss in Mainz und die Aussicht auf weitere Maschinenverkäufe an anderen Orten bewogen Carl Linde zum Umzug von München nach Wiesbaden. 1879 richtete er in der Hildastraße ein Planungs- und Vertriebsbüro ein. Aus diesem „Start-Up“ entwickelte sich die international tätige Linde AG, die erst 2004, nach Abgabe des Kältegeschäftes an ein amerikanisches Unternehmen, ihre Konzernzentrale von Wiesbaden nach München verlegte.

Die Kältemaschinen in der Mainzer Aktien-Bierbrauerei konnten sowohl Eis produzieren als auch Kälte direkt erzeugen. Die sechs Linde-Maschinen lieferten im Jahre 1908 täglich 2400 Zentner Blockeis sowie – insbesondere zum Kühlen der Lagerkeller – 3600 Zentner „Eisersatz“. Unter „Eisersatz“ wird die Natureismenge verstanden, die benötigt würde, um die Leistung der Kühlmaschine zu ersetzen. Die maschinelle Kälteproduktion wurde also anfangs noch als „Eisersatz“ bezeichnet und nicht als eine vom Eis unabhängige eigene Qualität betrachtet.

Vor dem Einbau der Maschinen nutzte die Brauerei das Eis vom Rhein. Es wurde nahe dem Fischtorplatz ans Ufer gezogen.

Es ist auch das Kühlwerk der Mainzer Aktien-Bierbrauerei an der Mombacher Straße 40 zu erwähnen. Die im Werk täglich produzierten 800 Zentner Blockeis benötigte die Brauerei als „Versandeis“ zur Kühlung der Biertransporte. In der angegliederten Kühlhalle, 1913 als erste Eierkühlhalle des Landes Hessen eingeweiht, war Platz für mehr als dreizehn Million Eier. Sie konnten dort ein Jahr lag ohne Qualitätsverlust lagern.

Die Brauereigebäude wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. In den Nachkriegsjahren erfolgte zwar der Wiederaufbau, aber die einstige Größe wurde nicht mehr erreicht. 1972 übernahm die Frankfurter Bindingbrauerei den Betrieb. Sie stellte die Bierproduktion in Mainz im Jahre 1982 ein.

Altmünster-Eiswerke (1927–1971)

Ein weiterer Mainzer Kälteproduzent waren die „Altmünster Eis- und Kühlwerke. Das Unternehmen spielte bei der Versorgung mit Kälte eine wichtige Rolle. Die Eis- und Kühlwerke gingen aus der Altmünsterbrauerei hervor. Diese nutzte ebenso wie die Mainzer Aktien-Bierbrauerei die bereits am Kästrich bestehenden Kelleranlagen und baute sie weiter aus. Sie reichten über 40 Meter in den Hang und waren in einigen Abschnitten bis zu 20 Meter hoch.

Eisgewinnung und Eisverwendung für die Bierproduktion werden den bei der Aktien-Bierbrauerei geschilderten Abläufen ähnlich gewesen sein. Geschäftlich war die Altmünsterbrauerei jedoch weniger erfolgreich als die Konkurrenz. Bereits vor Beginn des Ersten Weltkrieges spürbare Schwierigkeiten bei der Rohstoffversorgung konnten auch nach dem Krieg nicht behoben werden, und so wurde der Brauereibetrieb im September 1920 eingestellt.

Nachfolgende Versuche mit einer Apfelweinkellerei, einer Likörfabrik und einer Schokoladenfabrik blieben erfolglos. 1927 kam es zur Gründung der Altmünster Eis- und Kühlwerke AG. Von Linde wurde eine Eismaschine angemietet, die täglich 700 Zentner Eis produzierte. Kunsteis war zwar in der Produktion kostspielig, da aber das zu seiner Herstellung verwendete Wasser gefiltert wurde, konnte es als hochwertiges Produkt teurer als das Natureis verkauft werden.

Die Altmünster Eis- und Kühlwerke lieferten das Eis mit Fahrzeugen aus, es konnte aber auch an der Rampe am Eiswerk in der Walpodenstraße direkt gekauft werden. Dieses Geschäft setzte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg fort und erlebte zu Beginn der fünfziger Jahre eine letzte Blüte. Danach lösten elektrische Kühlgeräte das Eis bei der Vorratshaltung ab. 1968 kam es zur Schließung des Betriebs.

Schlacht- und Viehhof (1898–1966)

Beim Streifzug durch die Geschichte der Kälteproduktion und -anwendung in Mainz darf der städtische Schlacht- und Viehhof nicht vergessen werden. Die von Stadtbaumeister Eduard Kreyßig entworfene Anlage, die am 13. Oktober 1898 nach vierjähriger Bauzeit in Betrieb genommen wurde, hatte ihren Standort am nördlichen Stadtrand von Mainz. Bereits im Jahre 1883 war der Schlachthof in Wiesbaden entstanden. Hier stand die erste der von der Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen für Schlachthäuser konstruierten Kältemaschinen.

Die Gebäude des Schlacht- und Viehhofes wurden im Zweiten Weltkrieg zu 70 Prozent zerstört und nach dem Krieg nicht erneut vollständig aufgebaut. 1951 übernahmen die Jenaer Glaswerke Schott & Gen. einen großen Teil der Fläche und erwarben 1967 auch das restliche Areal. Planungen für den Bau eines neuen Schlachthofes führten nicht zum Erfolg. Schlachtungen fanden jetzt in Wiesbaden statt.

G. H. Walb in Mainz (1876–1926)

Mit der Firma G. H. Walb gab es ein weiteres mit der Kälteproduktion verbundenes Unternehmen. G. H. Walb wurde 1876 in Alzey von dem Kupferschmied Johann Georg Hermann Walb als Werkstatt für Gegenstände des Hausbedarfs, Kühler für das Brauereigewerbe und Geräte für Brennereien gegründet. In der Folgezeit kamen die Herstellung von Kühleinrichtungen für Gastwirtschaften sowie Kühlräumen für Fleischereien und Hotels hinzu. Der Entschluss zur Spezialisierung auf Kältetechnik hatte die Suche nach einem verkehrstechnisch günstig gelegenen Produktionsort zur Folge und führte zum Umzug nach Mainz. Hier wurden 1912 Fabrikräume in der Oberen Austraße 9 angemietet. Der Erste Weltkrieg unterbrach die begonnene Arbeit. Nach schwierigen Jahren ging es um 1920 weiter. Die Belegschaft war bald auf über 100 Beschäftigte angestiegen, und der Betrieb benötigte zusätzlichen Platz. 1929 kam es zur Übernahme von Fabrikräumen in Kostheim. Parallel dazu wurden Kontakte zur Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen AG geknüpft. Daraus ergab sich die Eingliederung in dieses Unternehmen.

Gesellschaft für Linde's Eismaschinen (1926–1966) / Linde Hausgeräte GmbH (1966–1977) / Linde AG (1986–2004) in Kostheim

Die Geschichte der Gesellschaft für Linde's Eismaschinen AG, der späteren Linde AG, erfordert eigentlich ein ausführliches Kapitel. Hier kann nur vom Werk in Kostheim berichtet werden.

Mit der Übernahme der Firma Walb erweiterte die bis zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Großkälteanlagen tätige Gesellschaft für Linde's Eismaschinen ihren Geschäftsbereich. Die Fabrik in Kostheim wurde zu einem leistungsfähigen Kühlmöbelwerk ausgebaut. Die Aggregate für die Schränke lieferte die Maschinenfabrik Sürth, eine Tochtergesellschaft. Möbelherstellung und Maschinenproduktion waren somit auf zwei Orte verteilt.

Das Werk in Kostheim war auf die Produktion großer Stückzahlen und den Verkauf in ganz Deutschland ausgerichtet. Ein durchschlagender Erfolg blieb jedoch aus. Der Historiker Hans-Liudger Dienel berichtet, „mit dieser gezielten Übernahme und Neugründung blieb die Gesellschaft Linde bis Mitte der 1930er-Jahre defizitär. Die ehemaligen Mitarbeiter der Firma Walb konnten wohl gute Eisschränke bauen, für die Massenproduktion von Kühlschränken hatten sie nicht das passende Know-how“.

Im Zweiten Weltkrieg kam es zur Zerstörung der Werksanlagen in Sürth und in Kostheim. Der Wiederaufbau in Kostheim gab Gelegenheit, die Produktion neu auszurichten. In der Jubiläumsschrift von 1954 heißt es dazu: „Die ersten Kühlschränke lehnten sich in ihrer Bauweise an die althergebrachten Eisschränke an. Wie diese, wiesen sie ein kräftiges tragendes Holzgestell, eine Korkisolierung und eine Innenauskleidung aus Zinkblech oder Keramikplatten auf. Sehr bald ging man in der Kühlschrankfertigung jedoch zu eigenen Bauformen und Baumethoden über. Bei den Haushaltschränken [...] ist Holz als Baustoff völlig ausgeschieden und durch eine reine Stahlkonstruktion ersetzt worden“.

Ende der fünfziger Jahre galt das Werk als eines der modernsten in Europa. Doch nach den expansiven fünfziger Jahren mit jährlich ansteigender Produktion machte sich hier, ebenso wie bei anderen Produzenten, ein Nachfragerückgang bemerkbar. Hinzu kam Kostendruck durch verschärfte Konkurrenz, nicht zuletzt durch günstige Angebote des Versandhandels.

Im März 1966 entstand die Tochtergesellschaft Linde Hausgeräte GmbH, an welcher der Elektrokonzern AEG im Jahre 1967 eine 75-prozentige Beteiligung erwarb. 1977 kam es zur vollständigen Übernahme. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden in der Fabrik noch Haushaltskühlschränke, wie auch in einem separaten Bereich Gewerbemöbel für die Linde AG gebaut. 1977 verabschiedete sich die Linde AG aus der unrentablen Hausgeräteproduktion und behielt nur eine auf gewerbliche Kühl- und Tiefkühlmöbel konzentrierte erfolgreiche Fertigung bei.

1988 übernahm die Linde AG erneut ihr einstiges Werksgelände, da der AEG-Konzern sein Engagement auf dem Hausgerätesektor reduzierte und den Standort Kostheim nicht mehr benötigte. Linde dagegen war am weiteren Ausbau der Kühlmöbelfertigung für Lebensmittelhandel, Supermärkte und Speiseeis-Hersteller interessiert. Das Unternehmen war in Europa auf dem Gebiet gewerblicher Kühlmöbel führend. Mit Übernahme des Werksgeländes konnte die Fertigung auf Kostheim konzentriert werden.

Trotz ihrer Spitzenposition bei der Produktion gewerblicher Kühlmöbel – im Bereich Supermarktausrüstung gab es einen Marktanteil von 40 Prozent in Europa – verkaufte die Linde AG im Oktober 2004 die Kältetechnik an die Carrier Corporation und gab damit den Geschäftsbereich vollständig auf. Die seit 1879 in Wiesbaden ansässige Konzernzentrale wurde an den neuen Standort München verlegt.

Duofrost Kühl- und Gefriergeräte in Kostheim (1977–1988)

Wie oben beschrieben, hatte AEG zunächst eine 75-prozentige Beteiligung an der Hausgeräte GmbH von Linde erworben und diese zehn Jahre später auf 100 Prozent aufgestockt. Damit einher ging die Umbenennung des Werkes in Kostheim in  Hausgeräte GmbH in Duofrost Kühl- und Gefriergeräte GmbH. Duofrost produzierte in der Folge weiterhin Kühl- und Gefriergeräte und vertrieb diese weltweit unter dem Markennamen Linde.

Die Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen AEG und Linde war nicht neu. Es gab bereits seit 1951 eine Kooperation der Unternehmensstandorte Kassel und Kostheim. Die Linde AG fertigte in Kostheim die Gehäuse der Standgeräte für die von AEG in Kassel produzierten Kälteaggregate. Die Gehäuse wurden unter dem Markennamen AEG vertrieben. Im Werk Kassel war AEG auf den Bau von Einbaugeräten spezialisiert.

In Kostheim produzierte AEG unter dem Markennamen Linde insbesondere Gefriertruhen und Gefrierschränke. Um 1978/79 wurden Gefriertruhen mit einer 90 Millimeter starken Pur-Schaum-Isolierung entwickelt, während bisherige Geräte eine Wandstärke von 50 bis 60 Millimetern besaßen. Die ersten in Europa produzierten Energiespargeräte sollen in Kostheim entstanden sein.

In den achtziger Jahren geriet der weltweit tätige Elektrokonzern AEG in wirtschaftliche Turbulenzen. Zur Abwendung des Konkurses beantragte das Unternehmen im Jahre 1981 das gerichtliche Vergleichsverfahren und reduzierte die Aktivitäten im Haushaltsbereich.

Für das Duofrost-Werk in Kostheim, nach dem verheerenden Brand im Jahre 1971 überdimensioniert aufgebaut und danach aber nicht ausgelastet, kam es zur Vereinbarung, die Belegschaft von 1080 Stellen im September 1981 auf 700 Stellen bis Ende 1982 zu verringern. Schon 1980 lag ein Plan vor, die seinerzeit 1500 Stellen um 640 zu reduzieren. An den Beschäftigtenzahlen ist die soziale und wirtschaftliche Bedeutung der Kälteproduktion für die Region zu ermessen.

Das AEG-Werk in Kassel produzierte weiterhin Kühlgeräte für den Haushalt. In Kostheim wurden nach 1982 noch Gefriertruhen hergestellt. Ein Großteil des Geländes diente aber nur noch als Lagerfläche. 1988 stelle AEG in Kostheim die Geschäftstätigkeit vollständig ein. Angesichts der Probleme bei AEG hatte die Linde AG schon 1982 die Nutzungsrechte am Markennamen Linde zurückgenommen. Davon waren ca. 80 Prozent der Mainzer Produktion betroffen.

Nach Schließung des AEG-Standortes Kostheim im Jahre 1988 übernahm die Linde AG, wie erwähnt, erneut vollständig die Werksanlagen, um hier die Produktion für gewerbliche Kühlmöbel zu konzentrieren.

Carrier Corporation Kältetechnik in Kostheim (ab 2004)

Im Zuge der skizzierten Veränderungen endete in Kostheim im Jahre 2004 die über einen Zeitraum von 80 Jahren währende Produktion von Haushaltskühlgeräten sowie Kühlmöbeln für den gewerblichen Bereich. Die Carrier Corporation übernahm, wie erwähnt, den von der Linde AG vollständig aufgegebenen Unternehmensbereich. 2016 waren im Forschungs- und Entwicklungszentrum von Carrier ca. 150 Personen beschäftigt. 2018 war das Entwicklungszentrum eines von weltweit zwei Forschungsstätten des Unternehmens und beschäftige noch 80 Mitarbeiter. Sie entwerfen gewerbliche Kühltruhen und Kältekammern für Einkaufszentren. Kostheim ist somit zwar weiterhin ein Standort für Kältetechnik, hat aber den Großteil der Arbeitsplätze auf diesem Gebiet verloren.

Frigidaire in Rüsselsheim (1937–1959)

Mit der Fabrikation von Kühlgeräten der Marke Frigidaire in Rüsselsheim kam 1926 ein bedeutender Konkurrent auf den deutschen Markt. Das amerikanische Unternehmen gehörte in den zwanziger Jahren zu den weltweit größten Herstellern von Haushaltskühlgeräten. Im Jahre 1926 wurde in Berlin die Frigidaire GmbH gegründet und übernahm hier mit Erfolg den Vertrieb der amerikanischen Geräte. Die Kühlschränke fanden weite Verbreitung.

1930 entstand eine Produktionsstätte in Berlin, die schon bald an Kapazitätsgrenzen stieß und deshalb bereits 1937 eine Ergänzung durch eine Gehäuseproduktion in einem neu erbauten Werk in Rüsselsheim erfuhr. Nach Zerstörung der Werke in Berlin und Rüsselsheim kam es 1946 zum Neuaufbau in Rüsselsheim.

Frigidaire etablierte sich auf dem westdeutschen Markt als eine führende Marke für Kühlgeräte. Raymond Loewy („Häßlichkeit verkauft sich schlecht“), bekannt für seine Autoentwürfe, entwickelte schon in den vierziger Jahren ein neues Design, das „frei von Ecken, Kanten und Fugen“ war. Die schon von Beginn an bestehende enge Verbindung von Automobil- und Kühlschrankproduktion zeigte sich jetzt im „Streamline-Design“.

Mitte der fünfziger Jahre vollzog sich ein Wandel im Gerätedesign. Kühlschränke mussten sich nun dem Mobiliar der kleinräumigen Küchen in den westdeutschen Haushalten einordnen. Der von Frigidaire im Jahre 1956 vorgestellte „Sheer-Look“, bzw. die „Cubic-Line“, ließ sich besser in die Einbauküchen einfügen.

Ende 1959 verlagerte Frigidaire die Produktion von Haushaltsgeräten nach Frankreich. Die Herstellung gewerblicher Geräte blieb noch bis 1962 in Rüsselsheim. Im selben Jahr veräußerte die Adam Opel AG als alleinige Gesellschafterin sämtliche Geschäftsanteile mit Wirkung vom 1. Januar 1963.

Ate in Frankfurt (1927–1964)

Mit Einbeziehung der Firma Teves in Frankfurt-Fechenheim wird der Umkreis von Mainz bis in die Rhein-Main Region gezogen. Diese Erweiterung ist insofern sinnvoll als deutlich wird, dass die Region mit den Firmen Linde, AEG, Frigidaire und Ate über Jahrzehnte ein Zentrum für die deutsche Kühlgeräteproduktion war.

Aus der 1906 beginnenden Unternehmensgeschichte ist hier die Zeit ab 1927 interessant. Die auf Armaturen, dann Kolbenringe und Bremsen für Automobile spezialisierte Maschinen- und Armaturenfabrik Alfred Teves nahm jetzt unter der Markenbezeichnung Ate die Produktion von Kühlschranken und Kältemaschinen für gewerbliche Zwecke auf.

Bis in die dreißiger Jahre war die Produktion von Kühlschränken unrentabel und die Qualität amerikanischer Modelle nicht erreichbar. Das gilt nicht nur für Ate, sondern für alle deutschen Produzenten. Vor allem waren die Geräte zu teuer, was den nationalsozialistischen Staat veranlasste, einen preisgünstigen Volkskühlschrank entwickeln zu lassen. So entstand, ebenso wie bei den konkurrierenden Herstellern, auch bei Teves ein solches Gerät. welches jedoch die Serienreife nicht erreichte.

Nach 1945 setzte die in den Kriegsjahren unterbrochen Produktion mit Geräten, die zunächst noch den Vorkriegsmodellen entsprachen, wieder ein. 1954 kamen neue Modelle auf den Markt. Sie trugen die Bezeichnung „Juwel“ und „Diamant“. In der Firmenschrift von Teves heißt es dazu: „Die Konsumwerbung geriet schon in der Modellbezeichnung zum Glücksversprechen schlechthin“. In den folgenden Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs konnten ständige Produktionssteigerungen verzeichnet werden. Es wurde aber auch deutlich, dass in Fabrikationsanlagen für größere Stückzahlen hätte investiert werden müssen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Den Schritt einer Erweiterung vollzog Teves nicht, sondern konzentrierte sich auf das Zuliefergeschäft zur Fahrzeugindustrie. Die Produktion von Haushaltskühlschränken und gewerblichen Kälteanlagen wurde im Jahre 1962 bzw. 1964 aufgegeben.

Die Region verlor damit – nach dem Verlust von Frigidaire – einen bedeutenden Kühlschrankhersteller. Nur wenige Jahre später stellten auch Linde und AEG ihre Produktion ein.

Zusammenfassung

Über Gewinnung, Handel und Gebrauch von Natureis in Mainz und Umgebung war bislang wenig bekannt. Eine Darstellung der Vorgänge lag bisher nicht vor. Gleiches gilt für die maschinelle Kälteproduktion, hier erstmals für die Region am Beispiel einiger Unternehmen dokumentiert. Es hätten auch noch Römheld & Moelle sowie Küleg in Heidesheim einbezogen werden können.

Der Text ist als Übersicht gedacht und soll Anregungen und Material für Studien zur Mainzer Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte bieten. Weniger noch als zur Eisgewinnung haben sich zur maschinellen Kälteproduktion sichtbare Spuren erhalten. Beim völligen Abriss der Betriebsgebäude und der vollständigen Neubebauung des jeweiligen Geländes wurde alles ausgelöscht. Eine Aufarbeitung der Vergangenheit muss anhand von Schrift- und Bilddokumenten erfolgen.

Literatur zur Eis- und Kälteproduktion in Mainz

Alfred Börckel, Die Fluß- und Seefischhandlung Haenlein-Wallau. Mainz 1913.

Hedwig Brüchert / Ute Engelen (Hg), Frisch vom Fass. Geschichte des Bierbrauens in Mainz. Begleitband zur Ausstellung im Stadthistorischen Museum Mainz (Schriftenreihe des Stadthistorischen Museums 6). Mainz 2012.

Max Brückner, Von der Forellenzucht zum Eishandel. Mainz 1, 2007, S. 67-71.

Hans-Liudger Dienel, Die Linde AG. Geschichte eines Technologiekonzerns 1879-2004. München 2004.

Harry Finkenauer / Petra Schippers, Auf die Kühlung kommt es an. Zur Geschichte der gewerblichen Linde-Kühlmöbel. In: Antje Stickel, Michael Tröscher (Hg), 48,98 Tante Emma-Megastore. 50 Jahre Lebensmittelhandel in Deutschland. Ingelheim 1998. S. 36-40.

Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen AG (Hrg), 50 Jahre Kältetechnik. 1879-1929.  Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen A.-G. Wiesbaden. Wiesbaden 1929.

Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen AG (Hrg), 75 Jahre Linde. Jubiläumsausgabe 21. Juni 1954. Wiesbaden 1954.

Max Hufschmidt, Werdegang der Firma G. H. Walb & Co. jetzt Zweigniederlassung der Gesellschaft für Linde‘s Eismaschinen Aktien-Gesellschaft. Mainz-Kostheim 1937.

Otto Jung, Die Bedeutung der Kältemaschine für die Brauerei. In: Veröffentlichung der Gesellschaft für die Geschichte und Bibliographie des Brauwesens e.V., S.1929, S. 17-24.

Wiltrud Lückerath, Eisgewinnung und Eiskonservierung. In: Volkskunde in Rheinland-Pfalz. Informationen der Gesellschaft für Volkskunde in Rheinland-Pfalz e.V. 4.Jg.1.Hft. 1989, S. 25-29.

Kurt Merkator / Ingo Schlösser, Der Königsborn Mühle-Brauerei-Fabrik. Dokumentation zur Ausstellung in den Räumen des Heimat- und Geschichtsvereins Finthen 2007.

Karl Schramm, Mainzer Gold im Glas. Die Geschichte der Mainzer Aktien-Bierbrauerei, erzählt im Jahre ihres hundertjährigen Bestehens. Jubiläumsprospekt 1959.

Joseph Spang, Eis- und Wassernöte am Rhein. Mainz 1929.

Lageskizze der Eisgrube in Schlangenbad, um 1740. Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Best. 303/941.
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