Malwida von Meysenbug und Romain Rolland - Eine zärtliche, doch streitbare Liebe

Prof. Dr. Joachim Radkau, Bielefeld: "Malwida von Meysenbug und Romain Rolland - Eine zärtliche, doch streitbare Liebe" 

Malwida von Meysenbug (1816-1903), einst international berühmt durch ihre „Memoiren einer Idealistin“ (zuerst frz. 1869), fand die höchste Erfüllung ihres Ideals im Alter: in der Seelenliebe zu dem 50 Jahre jüngeren Romain Rolland. Der gewaltige Briefwechsel zwischen beiden, durch Wolfgang Kalinowsky 2016 erstmals vollständig in drei großen Bänden herausgebracht, eröffnet eine Neuentdeckung dieser Frau. Da lässt sich ergreifend nacherleben, wie sie, die auch selber wiederholt von Lebensmüdigkeit überkommen wurde, durch einfühlsames Mit-Leiden Rolland immer neu aus tiefster Verzweiflung zu poetischer Schaffensfreude emporhilft. Noch lange nach ihrem Tod bekennt er: „Der Freund, der einen versteht, erschafft einen. In diesem Sinne bin ich von Malwida erschaffen worden.“ Doch, wie wir nun aus ihrer Korrespondenz erkennen, bei aller Liebe zugleich durch den Freimut ihrer Kritik, wie sie in der berüchtigten Dreyfus-Affäre entschieden Partei für Dreyfus ergreift, und zwar lange Zeit gegen Rolland. Das wirft ein scharfes Licht darauf, wie sehr es dieser Frau zu verdanken ist, dass er nicht etwa als Ahnherr des Faschismus, vielmehr als großer Geist des Friedens und der Völkerverständigung in die Geschichte eingegangen ist: Gerade auch in diesem Sinne ist er von Malwida erschaffen worden!