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Pressemeldung

(rap.-) In der Reihe „Historisches Mainz“ erinnert die Landeshauptstadt Mainz an historische Baudenkmäler, um wichtige Orte und Plätze der Geschichte wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken. Die heute eingeweihte Wandtafel erinnert nun an das einstige Geschäftshaus der Unternehmerfamilie Ganz, das bis 1942 in Mainz existierte. Sie dokumentiert das schwere Schicksal von Felix und Erna Ganz und ihrer Familie, das untrennbar verbunden ist mit dem dunkelsten Kapitel der Mainzer Geschichte.

Pressemitteilung: SPERFRIST HEUTE 16.30 UHR - „Historisches Mainz“: Wandtafel zum Gedenken an frühere Unternehmerfamilie Ganz

Felix Ganz war in den 1920er Jahren ein erfolgreicher Geschäftsmann, der neben dem Geschäft in Mainz weitere Läden in Wiesbaden und Berlin unterhielt. Das Unternehmen wird wenige Jahre nach der NS-Machtergreifung zwangsweise arisiert und ohne Entschädigung übernommen. Am 27.09.1942 werden sie nach Theresienstadt verschleppt. Mit einem der letzten Transporte erfolgt die Deportation nach Auschwitz, wo sie 1944 ermordet werden. 78 Jahre nach der Ermordung von Felix und Erna Ganz erinnert nun die Wandtafel an die Unternehmer¬familie.

Oberbürgermeister Michael Ebling enthüllte heute die Wandtafel am heutigen Studierendenwerk gemeinsam mit der Stifterin der Wandtafel, Helga Zander-Ketterer und in Anwesenheit zahlreicher Angehöriger der Familie Ganz sowie der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Anna Kischner und Dieter Lauckhardt (Studierendenwerk Mainz).

Die Reihe „Historisches Mainz“ wird damit um ein wertvolles Element bereichert: Die Wandtafel erinnert an das einstige große Geschäfts- und Lagerhaus der Unternehmerfamilie Ganz, das bis 1942 an dieser Stelle stand. 1950 erfolgte der Wiederaufbau unter Erhalt der historischen Portalfassade, 2013 wich es dann einem Neubau des Studierendenwerks.

Felix Ganz war in den 1920er Jahren zu einem ungemein erfolgreichen Geschäftsmann avanciert, der neben dem großen Geschäft in Mainz weitere Läden in Wiesbaden und Berlin führte sowie Vertretungen in Frankfurt am Main, München, Straßburg, Istanbul und Smyrna unterhielt.
„Ganz war zugleich auch mit Leib und Seele Mainzer – und damals wie heute hieß das: Er war ein Mann, der sich in die Stadtgesellschaft einbrachte, der großen Anteil nahm am kulturellen Leben der Stadt und dieses auch mitprägte. Er engagierte sich stark für die Gutenberg-Gesellschaft, aber auch für die Mainzer Liedertafel und ebenso für den Mainzer Altertumsverein“, skizzierte Michael Ebling in seiner Ansprache.
Zudem sei er als Kenner und Sammler ostasiatischer Kunst in Erscheinung getreten. Kostbare Orientteppiche, chinesische Zeichnungen, Porzellane und Skulpturen - und eine umfangreiche Bibliothek gehörten zu seiner bedeutenden Privatsammlung. Diese gilt heute weitgehend als verschollen

Auch die Kinder waren mit dem Mainzer Kulturleben eng verbunden. Tochter Olga war Sopranistin, Tochter Anne-Marie war in erster Ehe mit Carl Zuckmayer verheiratet, der wiederum ein Klassenkamerad von Ganz‘ Sohn Hermann war. Und Hermann war es, der „hier, wo jetzt die Wandtafel an das einstige repräsentative Geschäfts- und Lagerhaus von ,Teppich-Ganz‘ erinnert, 1921 eine Ausstellung des Mainzer Kunstvereins mit Werken expressionistischer Maler wie Ernst Ludwig Kirchner und Otto Dix organisierte“ erinnerte Ebling.

Das Unternehmen von Felix Ganz wurde wenige Jahre nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten zwangsweise arisiert und von dem damaligen Prokuristen ohne Entschädigung übernommen. 1941 wurde das Ehepaar Felix und Erna Ganz gezwungen, vom Michelsberg in ein so genanntes Judenhaus - zunächst in der Rheinstraße 12 und von dort in ein Zimmer in der Kaiserstraße 32 - umzuziehen. Am 27. September 1942 dann - dem 73. Geburtstag von Felix Ganz - wurden sie nach Theresienstadt verschleppt. Zwei Jahre überlebten sie dort die unmenschlichen Lagerbedingungen, bis sie mit einem der letzten Transporte nach Auschwitz deportiert und dort 1944 ermordet wurden.

„Entrechtet, ausgeraubt, verschleppt und ermordet – das Schicksal von Felix und Erna Ganz lässt uns erschüttert und sprachlos zurück. Es gibt keine Worte für dieses unermessliche Leid“, betonte OB Michael Ebling. Ein umso größerer Trost sei die Kunde, dass zumindest den Nachkommen – den Kindern, Enkelkindern und Urenkeln – von Felix Ganz die rettende Flucht ins Exil gelang: Hermann, Anne-Marie und Olga Ganz, seine Kinder, können sich nach Amerika, England und in die Schweiz retten, ebenso Enkel¬sohn Peter, der später ein renommierter Germanistikprofessor in Oxford und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes wird.

Peter Ganz‘ Sohn, Adam Ganz, Professor für Medienkunst-wissenschaften in London, begab sich dann vor einigen Jahren auf die Spuren seiner Vorfahren. In Mainz suchte er nach den Originalorten der Familiengeschichte und gemeinsam mit dem Institut für Kunstgeschichte an der Johannes- Gutenberg-Universität forschte er nach den verschollenen Kunstwerken seines Urgroßvaters. Ebling: „Ein Projekt, das noch im Laufen ist und bereits Überraschendes zu Tage brachte. Stück für Stück und Schritt für Schritt hat Adam Ganz so die tragische Geschichte seiner Vor¬fahren vor dem Vergessen bewahrt.“
Er habe dies mit Blick auf seine Familie getan, so Ebling. „Aber er hat dies auch für unsere Stadt getan. Denn die Geschichte der Unternehmer¬familie Ganz ist auch ein Teil der Mainzer Geschichte. Dafür möchte ich im Namen aller Anwesenden und im Namen unserer Stadt danken.“

Reihe „Historisches Mainz“
Die Reihe „Historisches Mainz“ hat sich zu einer regel¬rechten „Bürger¬bewegung“ entwickelt – eine Bürgerbewegung, die sich für die Erinnerungskultur in Mainz einsetzt und damit zugleich auch für den Tourismusstandort Mainz.

Diese Form der Geschichtsinformation ist nicht nur für die Mainzer:innen interessant. Auch Gäste von außerhalb orientieren sich mehr und mehr an den Hinweistafeln: eine gelungene Konzeption und ein hervorragendes Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Stadtverwaltung, Institutionen, Unternehmen und nicht zuletzt von engagierten Bürgerinnen und Bürgern.

Herausgeber

Stadtverwaltung Mainz
Pressestelle | Kommunikation (Hauptamt)
Sarah Heil
Abteilungsleiterin und Pressesprecherin der Stadt Mainz
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