Pressemeldung
(aga) Anfang Dezember gab das Statistische Bundesamt die Anzahl der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen durch die Jugendämter im vergangenen Jahr bekannt. Das Mainzer Jugendamt erläutert: Was bedeutet „in Obhut nehmen“, was geschieht, wenn jemand eine „Kindeswohlgefährdung“ beim Jugendamt meldet und wie hoch sind die jeweiligen Fallzahlen in Mainz?
Kindeswohlgefährdung und Inobhutnahme – das Mainzer Jugendamt erklärt Bedeutung und Vorgehen
Im Jahr 2023 nahmen, wie das Statistische Bundesamt mitteilt, die Jugendämter in Deutschland rund 74.600 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in behördliche Obhut. Die Zahl der Inobhutnahmen sei 2023 damit zum dritten Mal in Folge gestiegen, allerdings nicht so stark wie in 2022. Der Anstieg gehe alleinig auf die Fürsorge für unbegleitet eingereiste Minderjährige zurück. Ohne Berücksichtigung dieser Fälle sei die Zahl der Inobhutnahmen gesunken.
In Mainz gehen beim Amt für Jugend und Familie täglich durchschnittlich zwei Meldungen zu möglicher Kindeswohlgefährdung ein. Doch wann ist es überhaupt gerechtfertigt, Kinder von ihren Familien (vorübergehend) zu trennen?
Das deutsche Grundgesetz besagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Und „Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“. In Städten und Kommunen übernimmt der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Jugendamtes diese Überwachung.
Was ist der ASD?
Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD), in Mainz ein Sachgebiet in der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst und Besondere Soziale Dienste des Amts für Jugend und Familie, vertritt das Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft im Sinne des Artikel 6 GG:
- Der ASD ist im Sinne des Kindeswohl parteilich in Bezug auf Kinder und Jugendliche.
- Sachbearbeiter im ASD sind erfahrene Sozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen oder Erziehungswissenschaftler:innen mit Erfahrungsschwerpunkten im Bereich der Kindeswohlgefährdung.
- Die Inobhutnahme findet als letztes Mittel entweder in akuten Gefährdungslagen statt oder wenn das Kind oder der Jugendliche hierum bittet, außerdem bei unbegleitet einreisenden Minderjährigen.
- Ist eine weitere Schädigung bis zur Anrufung des Familiengerichts zur gemeinsamen Klärung prognostizierbar, ist das Amt berechtigt und verpflichtet das Kind in seine Obhut zu nehmen.
Was geschieht bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung?
Die Mitarbeiter:innen des ASD müssen jedem Hinweis auf eine sogenannte Kindeswohlgefährdung nachgehen. Solche Hinweise kann jede:r geben – auch anonym. Häufig kommen Meldungen von anderen Behörden, Ärzten, Schulen oder Kindertagesstätten, nachdem diese sich mit Fachkräften beraten haben und die Gefahr für ein Kind mit dem Recht auf Datenschutz abgewogen haben. In der Folge bewerten die Fachkräfte, erfahrene Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen, die akute Gefahr für das Kind oder die/den Jugendliche:n. In der Regel nehmen sie Kontakt zu den Eltern auf, um gemeinsam etwaige Probleme zu besprechen und Hilfen zur Erziehung anzubieten.
Was bedeutet „Kindeswohlgefährdung“?
Das Amt für Jugend und Familie spricht von „Kindeswohlgefährdung“, wenn (der Verdacht auf) körperliche Gewalt, sexuellen Missbrauch, psychische Gewalt im Sinne von Erniedrigung, körperliche Gewalt zwischen den Eltern, Vernachlässigung der Grundbedürfnisse eines Kindes oder Anstiftung zu schwerster Kriminalität vorliegt.
Wann findet eine Inobhutnahme statt?
Oft sind mehrere Termine erforderlich, bei denen – falls nötig – ein Schutzplan und eine Hilfe- sowie Kontrollvereinbarung erstellt werden, damit die Jugendamtsmitarbeiter:innen die Kindeswohlsicherheit mitverantworten können. Wenn sich Eltern und Sozialarbeiter:innen nicht auf die passende Unterstützung für das Kind einigen können, muss gemäß Sozialgesetzbuch VIII das Familiengericht eingeschaltet werden. Nur ein richterlicher Beschluss erlaubt Eingriffe in das Sorgerecht und die Erziehungspflicht der Eltern.
Falls die Fachkräfte des ASD jedoch eine weitere gravierende Schädigung des Kindes oder der/dem Jugendlichen prognostizieren, sodass auf den Gerichtstermin nicht gewartet werden kann, ist der ASD berechtigt und verpflichtet das Kind sofort zu schützen. Dies bedeutet, das Kind vorübergehend in einer Wohngruppe oder Bereitschaftspflegefamilie unterzubringen. Sind die Eltern mit dieser Schutzmaßnahme nicht einverstanden wird umgehend das Gericht informiert, um eine Einigung zu erzielen. Allerdings verbleibt das Kind meist bis zur Entscheidung des Familiengerichts in Obhut des Jugendamtes.
Selbst wenn ein Kind vorübergehend von der Familie getrennt wird, arbeiten die Mitarbeiter:innen des ASD mit der Familie weiter an Lösungen und Wegen für eine Rückführung. Oftmals können Eltern in hochproblematischen Lebensverhältnissen die Zeit, in der die Kinder vom Jugendamt betreut werden und dort notwendige Unterstützung erhalten, gut nutzen um tiefgreifende Probleme zu lösen.
Besondere Formen der Inobhutnahme: „Selbstmelder“ und „UMA“
Besondere Formen der Inobhutnahme sind die Betreuung sogenannter unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) – also Kinder und Jugendliche unter 18, die ohne Erziehungsberechtigte nach Deutschland kommen – sowie die der „Selbstmelder“.
Unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche sind schutzbedürftig und das Jugendamt ist gesetzlich zur Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet. Das Jugendamt stellt Versorgung, Betreuung und Krankenhilfe sicher. Nach einer qualifizierten Alterseinschätzung, Überprüfung der Verteilfähigkeit und Berücksichtigung der Aufnahmequote, erfolgt die Zuweisung nach Mainz oder zu einem anderen Jugendamt in Rheinland-Pfalz. Für diese Aufgabe steht ein eigener Fachdienst in der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst und Besondere Soziale Dienste zur Verfügung.
„Selbstmelder“ sind Kinder oder Jugendliche, die um Obhut beim Jugendamt bitten. Diese wird ihnen immer vorläufig gewährt. Hiermit möchte der Gesetzgeber verhindern, dass Minderjährige „ausreißen“, obdachlos werden und sich in Gefahr begeben. Anschließend wird mit den Eltern und den jungen Menschen nach tragfähigen Lösungen gesucht.
Zahlen für Mainz in 2023
In Mainz erreichen das Amt für Jugend und Familie durchschnittlich zwei Mitteilungen bezüglich möglicher Kindeswohlgefährdung am Tag. In den meisten Fällen kann mit den Familien eine Lösung erarbeitet werden, mitunter wird eine zeitlich begrenzte ambulante sozialpädagogische Hilfe als notwendig erachtet. Im Jahr 2023 wurden in Mainz insgesamt 181 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, darunter 104 wegen Kindeswohlgefährdung sowie Selbstmelder und 77 unbegleitete Minderjährige.
Schutzeinrichtungen in Mainz
In Mainz gibt es drei Schutzeinrichtungen, eine für die Altersspanne von 4 bis 13 Jahren, eine weitere für 14- bis 17-Jährige sowie eine Schutzeinrichtung für Mädchen. Diese stehen ausschließlich für kurzfristige und notfallmäßige Unterbringungen zur Verfügung. Hinzu kommen zwei Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche. Für die Inobhutnahme von 0-3-jährigen Kindern, stehen 8 Bereitschaftspflegestellen zur Verfügung.
In Mainz gehen beim Amt für Jugend und Familie täglich durchschnittlich zwei Meldungen zu möglicher Kindeswohlgefährdung ein. Doch wann ist es überhaupt gerechtfertigt, Kinder von ihren Familien (vorübergehend) zu trennen?
Das deutsche Grundgesetz besagt: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ Und „Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen“. In Städten und Kommunen übernimmt der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) des Jugendamtes diese Überwachung.
Was ist der ASD?
Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD), in Mainz ein Sachgebiet in der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst und Besondere Soziale Dienste des Amts für Jugend und Familie, vertritt das Wächteramt der staatlichen Gemeinschaft im Sinne des Artikel 6 GG:
- Der ASD ist im Sinne des Kindeswohl parteilich in Bezug auf Kinder und Jugendliche.
- Sachbearbeiter im ASD sind erfahrene Sozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen oder Erziehungswissenschaftler:innen mit Erfahrungsschwerpunkten im Bereich der Kindeswohlgefährdung.
- Die Inobhutnahme findet als letztes Mittel entweder in akuten Gefährdungslagen statt oder wenn das Kind oder der Jugendliche hierum bittet, außerdem bei unbegleitet einreisenden Minderjährigen.
- Ist eine weitere Schädigung bis zur Anrufung des Familiengerichts zur gemeinsamen Klärung prognostizierbar, ist das Amt berechtigt und verpflichtet das Kind in seine Obhut zu nehmen.
Was geschieht bei Hinweisen auf Kindeswohlgefährdung?
Die Mitarbeiter:innen des ASD müssen jedem Hinweis auf eine sogenannte Kindeswohlgefährdung nachgehen. Solche Hinweise kann jede:r geben – auch anonym. Häufig kommen Meldungen von anderen Behörden, Ärzten, Schulen oder Kindertagesstätten, nachdem diese sich mit Fachkräften beraten haben und die Gefahr für ein Kind mit dem Recht auf Datenschutz abgewogen haben. In der Folge bewerten die Fachkräfte, erfahrene Sozialarbeiter:innen und Sozialpädagog:innen, die akute Gefahr für das Kind oder die/den Jugendliche:n. In der Regel nehmen sie Kontakt zu den Eltern auf, um gemeinsam etwaige Probleme zu besprechen und Hilfen zur Erziehung anzubieten.
Was bedeutet „Kindeswohlgefährdung“?
Das Amt für Jugend und Familie spricht von „Kindeswohlgefährdung“, wenn (der Verdacht auf) körperliche Gewalt, sexuellen Missbrauch, psychische Gewalt im Sinne von Erniedrigung, körperliche Gewalt zwischen den Eltern, Vernachlässigung der Grundbedürfnisse eines Kindes oder Anstiftung zu schwerster Kriminalität vorliegt.
Wann findet eine Inobhutnahme statt?
Oft sind mehrere Termine erforderlich, bei denen – falls nötig – ein Schutzplan und eine Hilfe- sowie Kontrollvereinbarung erstellt werden, damit die Jugendamtsmitarbeiter:innen die Kindeswohlsicherheit mitverantworten können. Wenn sich Eltern und Sozialarbeiter:innen nicht auf die passende Unterstützung für das Kind einigen können, muss gemäß Sozialgesetzbuch VIII das Familiengericht eingeschaltet werden. Nur ein richterlicher Beschluss erlaubt Eingriffe in das Sorgerecht und die Erziehungspflicht der Eltern.
Falls die Fachkräfte des ASD jedoch eine weitere gravierende Schädigung des Kindes oder der/dem Jugendlichen prognostizieren, sodass auf den Gerichtstermin nicht gewartet werden kann, ist der ASD berechtigt und verpflichtet das Kind sofort zu schützen. Dies bedeutet, das Kind vorübergehend in einer Wohngruppe oder Bereitschaftspflegefamilie unterzubringen. Sind die Eltern mit dieser Schutzmaßnahme nicht einverstanden wird umgehend das Gericht informiert, um eine Einigung zu erzielen. Allerdings verbleibt das Kind meist bis zur Entscheidung des Familiengerichts in Obhut des Jugendamtes.
Selbst wenn ein Kind vorübergehend von der Familie getrennt wird, arbeiten die Mitarbeiter:innen des ASD mit der Familie weiter an Lösungen und Wegen für eine Rückführung. Oftmals können Eltern in hochproblematischen Lebensverhältnissen die Zeit, in der die Kinder vom Jugendamt betreut werden und dort notwendige Unterstützung erhalten, gut nutzen um tiefgreifende Probleme zu lösen.
Besondere Formen der Inobhutnahme: „Selbstmelder“ und „UMA“
Besondere Formen der Inobhutnahme sind die Betreuung sogenannter unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) – also Kinder und Jugendliche unter 18, die ohne Erziehungsberechtigte nach Deutschland kommen – sowie die der „Selbstmelder“.
Unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche sind schutzbedürftig und das Jugendamt ist gesetzlich zur Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet. Das Jugendamt stellt Versorgung, Betreuung und Krankenhilfe sicher. Nach einer qualifizierten Alterseinschätzung, Überprüfung der Verteilfähigkeit und Berücksichtigung der Aufnahmequote, erfolgt die Zuweisung nach Mainz oder zu einem anderen Jugendamt in Rheinland-Pfalz. Für diese Aufgabe steht ein eigener Fachdienst in der Abteilung Allgemeiner Sozialer Dienst und Besondere Soziale Dienste zur Verfügung.
„Selbstmelder“ sind Kinder oder Jugendliche, die um Obhut beim Jugendamt bitten. Diese wird ihnen immer vorläufig gewährt. Hiermit möchte der Gesetzgeber verhindern, dass Minderjährige „ausreißen“, obdachlos werden und sich in Gefahr begeben. Anschließend wird mit den Eltern und den jungen Menschen nach tragfähigen Lösungen gesucht.
Zahlen für Mainz in 2023
In Mainz erreichen das Amt für Jugend und Familie durchschnittlich zwei Mitteilungen bezüglich möglicher Kindeswohlgefährdung am Tag. In den meisten Fällen kann mit den Familien eine Lösung erarbeitet werden, mitunter wird eine zeitlich begrenzte ambulante sozialpädagogische Hilfe als notwendig erachtet. Im Jahr 2023 wurden in Mainz insgesamt 181 Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, darunter 104 wegen Kindeswohlgefährdung sowie Selbstmelder und 77 unbegleitete Minderjährige.
Schutzeinrichtungen in Mainz
In Mainz gibt es drei Schutzeinrichtungen, eine für die Altersspanne von 4 bis 13 Jahren, eine weitere für 14- bis 17-Jährige sowie eine Schutzeinrichtung für Mädchen. Diese stehen ausschließlich für kurzfristige und notfallmäßige Unterbringungen zur Verfügung. Hinzu kommen zwei Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Kinder und Jugendliche. Für die Inobhutnahme von 0-3-jährigen Kindern, stehen 8 Bereitschaftspflegestellen zur Verfügung.
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Stadtverwaltung Mainz
Pressestelle | Kommunikation (Hauptamt)
Sarah Heil
Abteilungsleiterin und Pressesprecherin der Stadt Mainz
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