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Ingo Schulze, Mainzer Stadtschreiber 2011

Chronist des wiedervereinigten Deutschlands
Der Berliner Schriftsteller Ingo Schulze, 1962 in Dresden geboren, ist Mainzer Stadtschreiber des Jahres 2011. Die Verleihung des mit 12 500 Euro dotierten Preises fand am 10. März 2011 in Mainz statt. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut, der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel und die Mainzer Kulturdezernentin Marianne Grosse begrüßten Schulze im Rathaus als 27. Mainzer Stadtschreiber. Wie seine Vorgänger wird der 1962 in Dresden geborene Schriftsteller gemeinsam mit dem ZDF eine Dokumentation nach freier Themenwahl produzieren und die Stadtschreiberwohnung im Mainzer Gutenbergmuseum beziehen. Der mit 12 500 Euro dotierte renommierte Literaturpreis wird seit 1984 jedes Jahr von ZDF, 3sat und der Stadt Mainz vergeben.

ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut würdigte den 48-jährigen Preisträger: "Ich freue mich, dass der großartige und kreative Autor Ingo Schulze dem ZDF schon so lange verbunden ist: Vor 26 Jahren erhielt er den 'aspekte'-Literaturpreis für sein Debüt, heute den Preis für sein Lebenswerk."

Die Laudatio auf Ingo Schulze hielt der Schweizer Literaturkritiker Andreas Isenschmid: "Schulzes bewundernswerte Leistung ist es, dass er in mehr als einem Buch alle Zutaten des famosen Wenderomans bot - unter Abzug freilich alles Parolenhaften und Demonstrativen. Nichts fehlte in diesen Büchern, weder Leid und Klage noch die Heiterkeit, weder das Schwere noch das Leichte, weder das Seriöse noch das Burleske. Der ganze Osten war komplett drin."

Ingo Schulze ist der herausragende Chronist des wiedervereinigten Deutschlands. Seine Romane und Erzählungen haben mit ihrer kunstvollen, raffiniert leichten Sprache den Westdeutschen, aber auch dem Ausland, die Augen geöffnet für die Schwierigkeiten der Menschen, von einem politischen System in das andere zu wechseln.

Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel zeigte sich sehr angetan über die Wahl des Autors zum kommenden Stadtschreiber: „Dieses Votum findet meinen absoluten Beifall. Ingo Schulze ist nicht allein die vermittelnde Stimme, die in seinen Werken die Brüche, Wandlungen und schmerzlichen neuen Weichenstellungen mit und nach dem Mauerfall skizzierte - er ist zugleich mündiger Chronist mit sehr eigenem Blickwinkel, der diese Phase der deutschen Geschichte in ruhigen, pointierten, sehr lesenswerten Skizzen festgehalten hat und in seinem wirklichen Leben einige Umbrüche erlebt hat. Mit Ingo Schulze dürfen wir uns auf einen hochinteressanten Autoren freuen.“

Kulturdezernentin Marianne Grosse sieht Schulze bereits seit langen Jahren als eine der führenden Figuren in der deutschen Literatur: „Viele Jahre nach dem Mauerfall suchte die literarische Gemeinde den berüchtigten exemplarischen ,Wenderoman’ - und ich weiß, dass Ingo Schulze diese Begrifflichkeit nur wenig mag. Doch wenn ein Werk unter dieser Rubrik eingeordnet würde und jene Zeit der Umbrüche und Verwerfungen, der Neujustierungen im täglichen Leben, Ängste und Hoffnungen atmosphärisch treffend und fesselnd beschrieben hat, war dies meines Erachtens Ingo Schulze mit seinem Buch ,Neue Leben’. Wir gewinnen einen spannenden Stadtschreiber als Haslinger-Nachfolger, der mit zu meinen Favoriten gehörte und auf den ich mich überaus freue.“

Bereits sein literarisches Debut im Jahr 1995, die Erzählsammlung „33 Augenblicke des Glücks“, die in Sankt Petersburg und Umgebung spielen, machte Schulze bei Kritikern und Lesern bekannt. Mit „Simple Stories“ (1998), die vorwiegend in Schulzes ostthüringischer Heimatstadt Altenburg spielen und mit dem Briefroman „Neue Leben“ (2005) unterstrich Schulze, von der Kritik hoch gelobt, seine große Kunst, die Gefühlslage der deutsch-deutschen Wende zu beschreiben. Auf große Zustimmung stieß zudem sein Erzählungsband „Handy - Dreizehn Geschichten in alter Manier“ (2007) und sein jüngster Roman „Adam und Evelyn“ (2008), der glänzend aus dem magischen Wendesommer 1989 berichtet. Aktuell in diesem Jahr erschienen: „Orangen und Engel. Italienische Skizzen“, die während eines Aufenthaltes in der römischen Villa Massimo entstanden.

Schulze studierte klassische Philologie in Jena, war in der Wendezeit Dramaturg am Landestheater in Altenburg. Er engagierte sich im Neuen Forum und baute erfolgreich das „Altenburger Wochenblatt“ auf. 1993 lancierte er in Sankt Petersburg ein Anzeigenblatt. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt er in Berlin als freier Schriftsteller und wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, so auch mit dem aspekte-Literaturpreis des ZDF im Jahr 1995.

Weitere Preise folgten, unter anderem der Ernst-Willner-Preis des Ingeborg Bachmann-Wettbewerbs (1995), der Joseph-Breitbach-Preis (2001), der Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik (2007), sowie der Thüringer Literaturpreis (2007).

Ingo Schulze ist seit 2010 Direktor der Sektion Literatur in der Akademie der Künste, Berlin.