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Kathrin Röggla, Mainzer Stadtschreiberin 2012

„Die Wahl Rögglas, die bis dato noch nicht den Bekanntheitsgrad ihrer Vorgänger aufweisen mag, empfinde ich - eben genau aus diesem Grunde - als einen Glücksgriff, der auch von Mut kündet. Wir gewinnen eine junge, kantige, sowohl gegen den Strich und gewisse literarische Konventionen denkende als auch stilistisch recht einzigartig komponierende Schriftstellerin, deren zahlreiche Texte das Interesse für eine Vielzahl von Themen atmen. Überdies ist sie auch noch als Theaterautorin - so am Wiener Burgtheater - preisgekrönt. Diese Gesamtkonstellation ist hoch interessant und wird das Stadtschreiberamt in eine neue Richtung befruchten. Ich denke, wir dürfen uns auf eine Autorin freuen, die in vielen Metiers daheim ist, vielfältig interessiert und die auch in vielen Sparten etwas zu sagen hat - und sich auch zu Wort meldet. Das wird ein sehr spannendes Jahr mit Kathrin Röggla, die ich schon heute herzlich willkommen heiße.“, so das Statement von Alt-Oberbürgermeister Jens Beutel kurz nach der Bekanntgabe der Entscheidung Ende 2011.

„Ich bin sicher, dass wir eine sehr gute Wahl getroffen haben - und freue mich besonders, unseren Preis endlich wieder an eine Frau vergeben zu können", sieht Kulturdezernentin Marianne Grosse, die die Landeshauptstadt Mainz in der Vergabejury vertritt, im Votum des Gremiums eine vortreffliche Entscheidung: „Kathrin Röggla mag Vielen noch recht unbekannt sein, sie hat jedoch schon ein beachtliches Gesamtwerk vorgelegt und ist eine würdige Preisträgerin." Besonders bemerkenswert sei die stilistische Vielfalt der Autorin: "Prosa, Kurz- und Langform, Arbeiten fürs Theater, Sach- und journalistische Texte - in allen Bereichen hat Röggla bereits bemerkenswerte Zeugnisse ihrer Arbeit abgeliefert." Ein besonderes Argument für die Auszeichnung seien die crossmedialen Arbeiten der Preisträgerin gewesen: "Kathrin Röggla nutzt alle Medien für ihre Texte, veröffentlicht Hörbücher, arbeitet fürs Radio und im Internet. Das ist ideal für einen Literaturpreis, der sich mit dem Verhältnis von Sprache und Medien, besonders dem Fernsehen auseinandersetzt", so Grosse. Auch die Vorliebe der Autorin für ungewöhnliche Schreibweisen und Satztechniken ihrer Bücher passe hervorragend in die Gutenbergstadt. "Kathrin Röggla gibt unserem Stadtschreiber-Preis damit eine junge, zeitgemäße Note. Wir werden ein spannendes Jahr mit ihr hier in Mainz erleben."

Die Jury betont, dass Röggla ein „ungewöhnlich vielseitiges und reiches Werk vorzuweisen habe, das häufig auch medienübergreifend entstehe“. Röggla ist Theaterautorin, zeitkritische Essayistin, Hörspielautorin und Erzählerin. „Temperamentvoll und wütend, lustvoll und sich kunstvoll auf die gegenwärtige Sprache einlassend“, beschreibe Röggla den „Seelenzustand einer Welt im Alarmzustand.“ In ihren Stücken, Romanen und Erzählungen beschäftige sie sich etwa mit der Wirtschaftskrise und ihren Verursachern, mit der Berliner Szene, dem Medienhype um das Entführungsdrama der Natascha Kampusch oder den Ereignissen von 9/11 in New York.

Die Jury weiter: Bereits mit ihrem Debüt, dem Erzählungsband „Niemand lacht rückwärts“ (1995) erregte Röggla das Interesse der Literaturkritik. Die Romane „Abrauschen“ (1997) und „Irres Wetter“ (2000) spielen meist in Berlin und beobachten, sarkastisch und in konsequenter Kleinschreibung, eine junge Generation unterwegs zwischen Love-Parade, Berlin-Mitte-Szene, Kulturpessimismus und Verzweiflung.
In einer Mischung von Dokumentation und Literatur beschreibt sie in „really ground zero“ (2001) die Anschläge von 9/11 in New York, die sie selber miterlebte. Im Roman „wir schlafen nicht“ (2004) geht es um eine entfesselte Arbeitswelt im Zeitalter der New Economy. Das jüngste Buch „die alarmbereiten“ (2010) umfasst Kurzgeschichten über Katastrophenjunkies der Twitter-Generation.
Erfolge feiert Röggla auch mit ihren zeitkritischen Theaterstücken. In „junk space“ geht es um Flugangst, in „draußen tobt die Dunkelziffer“ um Schuldner und Schuldnerberater. „worst case“ über eine eingebildete Katastrophe wurde als bestes Stück 2010 am Wiener Burgtheater mit dem renommierten Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet und im selben Jahr machte Röggla Furore mit „die beteiligten“, ein Drama um den Entführungsfall der Natascha Kampusch.