Marktbrunnen
Eine "warnende" Spende
1526 stiftet der Mainzer Erzbischof, Kardinal Albrecht von Brandenburg, den Bürgern seiner Stadt den beeindruckenden Brunnen, der heute nicht nur der älteste, sondern wohl auch schönste Renaissancebrunnen Deutschlands ist. Doch dieser Ziehbrunnen ist nicht nur künstlerisch, sondern auch als zeitgeschichtliches Symbol der Machtverhältnisse bedeutend.
In einer Zeit, in der es keine zentrale Wasserversorgung mehr gab und öffentliche Brunnen mit qualitativ hochwertigem Wasser rar waren, erscheint die Spende des Erzbischofs zunächst großherzig. Schaut man genauer hin, erkennt man in den dargestellten Szenen eindeutig politisch-didaktische Elemente. Sie erinnern an die Bauernkriege, die auch in Mainz blutig nieder geschlagen worden waren.
Marktbrunnen auf einen Blick
Zahlen, Daten, Fakten
Errichtet: 1526
Gestiftet von: Kardinal Albrecht von Brandenburg, Mainzer Erzbischof
Stil: Renaissance
Historisches
Im täglichen Leben der Frühen Neuzeit waren Brunnen von wesentlicher Bedeutung. Eine zentrale Wasserversorgung, wie es sie zu Zeiten der Römer in Mainz gegeben hatte, existierte nicht mehr. Die Bevölkerung versorgte sich aus den vielen häusernah gelegenen Brunnen. Deren Grundwasser war aber zumeist stark verschmutzt.
Öffentliche Brunnen gab es nur wenige. Sie führen allerdings sauberes Grundwasser, für dessen Qualität eigens "Brunnenmeister" verantwortlich waren. Darüber hinaus waren sie beliebte Treffpunkte für soziale Kontakte: Man geht Wasser holen, unterhält sich, klatscht und tauscht Informationen aus.
Die Errichtung des farbenprächtigen und schön geschmückten Marktbrunnens 1526 erscheint daher auf den ersten Blick als großherzige Geste eines Kurfürsten, der um das Wohlergehen seiner Bürger sehr bemüht ist. Wirft man aber einen genaueren Blick auf das Kunstwerk und die geschichtlichen Ereignisse jener Zeit, erweist sich die noble Spende als ganz und gar nicht uneigennützig.
Denn zwei Jahres vor der Errichtung des Marktbrunnens war im Land der Bauernkrieg ausgebrochen. Die Rebellion der Bauern um soziale Gerechtigkeit und Freiheit hatte bald auch die Mainzer Bevölkerung erfasst. Unter Waffenlärm forderten sie in einer Liste mit 31 Artikeln die Aufhebung adeliger und klerikaler Privilegien. Mit der Rückkehr der kaiserlichen Truppen nach der siegreichen Schlacht in Pavia folgte 1525 die Niederschlagung der Aufständischen und damit auch Wiederherstellung der alten Machtverhältnisse zwischen Volk und Obrigkeit.
Versetzung des Marktbrunnens
Aufgrund der neuen Straßenverbindung zwischen Ludwigs- und Rheinstraße wurde der Marktbrunnen 1889 von seinem angestammten Platz an die freie Nordostseite des Marktplatzes versetzt. Im Zuge dieser Maßnahme erhielt er auch die Madonnenfigur des Mainzer Bildhauers Valentin Barth.
Zweiter Weltkrieg
Im Zweiten Weltkrieg erhielt der Brunnen eine gemauerte Umhüllung, die ihn vor Bombeneinschlägen schützen sollte.
Architektur
Der sechs Meter hohe Dreistützenbrunnen ist aus rotem Sandstein gefertigt. Zum Trog des Ziehbrunnens führen zwei Stufen hinauf. Der Brunnen wird durch die drei Postamente der flach reliefierten Pfeiler gegliedert. Über dem dreieckigen Gebälk befindet sich eine Bekrönung aus hellem Sandstein.
Die Putten mit dem Wappen des Erzbischofs Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim und der Stadt Mainz wurden während einer Restaurierung nach dem Dombrand von 1767 angebracht.
Ein Pfeilerbaldachin markiert den oberen Abschluss des Brunnens. Ursprünglich krönte hier noch eine Fahne, sie wurde 1889 durch die Madonnenfigur ersetzt.
Symbolik
Die Ereignisse des Bauernkrieges dokumentieren sich auch in den Inschriften und Formen des Mainzer Marktbrunnens. Sie kreisen um die Themen Tugend, Sieg und Vergänglichkeit. Eindringlich ist die Darstellung eines Betrunkenen, über ihm ein Totenkopf und die Inschrift: "O Bedenck das End", die auf einem der Pfeiler des Brunnens zu sehen ist. Möglicherweise wollte Albrecht mit den abgebildeten Personen die Todsünden, zum Beispiel hier die Trunksucht, anschaulich darstellen.
Die beiden prunkvollen Staatswappen stehen für den Stifter Albrecht von Brandenburg.
Heute
Mit der Neugestaltung von Höfchen, Markt und Liebfrauenplatz kehrte der Marktbrunnen 1974/75 wieder an seinen ursprünglichen Standort vor die Domhäuser in Richtung Liebfrauenplatz zurück.
Als Symbol erfolglosen Aufbegehrens, Zeugnis geschichtlicher Ereignisse und reich geschmückte Darstellung fürstlicher Eitelkeit ist der Mainzer Marktbrunnen in jedem Fall einer näheren Betrachtung wert.